von WP/StB Dipl.-Vw. Konrad Löcherbach
(Vorstandsmitglied der AGT e.V.)

 

Die Erbschaftsteuer ist grundsätzlich eine persönliche Schuld der Erben. Allerdings haftet gem. § 20 Abs. 3 ErbStG der Nachlass für die Erbschaftsteuer bis zur Auseinandersetzung. Zu den Aufgaben des Testamentsvollstreckers zählt es u.a. dafür zu sorgen, dass die Erben ihre Erbschaftsteuerschulden bezahlen. Verletzt der Testamentsvollstrecker diese Pflicht vorsätzlich oder grob fahrlässig und bleiben die Erben die Erbschaftsteuer schuldig, so haftet der Testamentsvollstrecker für die Begleichung dieser Erbschaftsteuerschulden persönlich mit seinem Privatvermögen.

Naturgemäß wird der Testamentsvollstrecker daher bei der Auseinandersetzung des Nachlasses entsprechende Vorsorge für die Begleichung der Erbschaftsteuerschulden treffen. Insbesondere wird der Testamentsvollstrecker den Nachlass im eigenen Interesse so lange nicht vollständig auskehren, bis die Erbschaftsteuer festgesetzt und auch tatsächlich aus dem Nachlass entrichtet worden ist.

Diese Strategie droht allerdings zu scheitern, wenn Unternehmensvermögen oder ein selbstgenutztes Familienheim zum Nachlass gehören. Denn in den Fällen der Übertragung von Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen, Anteilen an Kapitalgesellschaften sowie bei der Weiternutzung des sog. Familienheims durch den Ehegatten oder die Kinder des Erblassers knüpft das Gesetz die gewährten Steuerbefreiungen an Kriterien, deren Erfüllung sich erst in den nächsten 5, 7 bzw. 10 Jahren herauskristallisiert. Wird Unternehmensvermögen innerhalb der fünf- bzw. siebenjährigen Behaltefristen veräußert oder werden die Lohnsummenkriterien nicht eingehalten, so fallen der Verschonungsabschlag und der gleitende Abzugsbetrag für Betriebsvermögen nachträglich zumindest teilweise weg. Wird das Familienheim nicht für mindestens 10 Jahre nach dem Erbfall vom Ehegatten bzw. den Kindern des Verstorbenen weiter genutzt, so entfällt die Verschonung nachträglich in vollem Umfang.

Der Testamentsvollstrecker steht in diesen Fällen damit vor der Frage, ob er auch die Verantwortung für diese Nachsteuern tragen muss. Dies ist insoweit besonders prekär, als er auf die Entstehung dieser Nachsteuer nur in den seltensten Fällen einen Einfluss hat oder diese gar voraussehen kann. Bei der Abwicklungsvollstreckung sind dem Testamentsvollstrecker jegliche Eingriffsmöglichkeiten genommen, aber auch bei der Dauervollstreckung hat er kaum Einfluss auf das erfolgreiche Management eines fortgeführten Unternehmens oder die Frage, ob die Erben weiterhin das übergegangene Familienheim nutzen können oder wollen.

Die Rechtsprechung musste sich mit dieser Frage der Haftung des Testamentsvollstreckers für die Nachsteuer bisher nicht auseinandersetzen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes erstreckt sich die Verpflichtung des Testamentsvollstreckers, für die Bezahlung der Erbschaftsteuer zu sorgen, auch für die Nachsteuer. Denn diese Nachsteuer stellt keinesfalls einen eigenständigen steuerlichen Tatbestand dar; vielmehr handelt es sich um eine unselbständige Korrektur der ursprünglich angefallenen Erbschaftsteuer, so dass § 32 ErbStG grundsätzlich anwendbar sein müsste (vgl. etwa Bluhm/Schauer ZEV 2012, 92ff.;a.A. Purruker, ZErb 2011, 265ff.).

Allerdings wird man dem Testamentsvollstrecker zugestehen müssen, dass er nur für diejenige Steuerschuld vorzusorgen hat, deren Entstehung für ihn zumindest absehbar ist; denn die Haftung ist verschuldensabhängig. Eine entsprechende Vorhersehbarkeit ist jedoch von vornherein weitgehend ausgeschlossen und steht nicht in der Einflusssphäre des Testamentsvollstreckers, insbesondere seiner Tätigkeit als Abwicklungsvollstrecker. Insbesondere ist es ausgeschlossen, eine Abwicklungsvollstreckung mit Hinweis auf mögliche steuerliche Haftungsrisiken in eine Dauervollstreckung umzudeuten. Der Haftungstatbestand des Gesetzes muss daher teleologisch reduziert werden: Es ist die zeitweise Verfügungsmacht über den Nachlass, die den Testamentsvollstrecker berechtigterweise in die Haftung für die Erbschaftsteuer nimmt. Mit der Auseinandersetzung des Nachlasses muss damit gleichzeitig auch die Haftung des Testamentsvollstreckers ihr Ende nehmen. Er kann nur für solche steuerlichen Sachverhalte in Haftung genommen werden, die mit dem Erbfall oder der Auseinandersetzung des Nachlasses verwirklicht worden sind. Nachsteuer-Haftungstatbestände gehören nicht dazu.

Im Hinblick auf die unklare Rechtssituation und die fehlende Rechtsprechung ist dem Testamentsvollstrecker gleichwohl anzuraten, mögliche haftungsreduzierende Optionen zu prüfen. So ist es ihm zumindest im Innenverhältnis möglich, eine Haftungsfreistellung mit den Erben zu vereinbaren. Ein Zurückbehaltungsrecht am Nachlass im Hinblick auf mögliche Nachsteuer-Tatbestände dürfte hingegen als absoluter Ausnahmefall anzusehen sein. Vielmehr sollte der Testamentsvollstrecker im Rahmen der Auseinandersetzung darauf drängen, dass entsprechende Sicherungsinstrumente (Grundschulden, Sicherungsverpfändung) für den Nachhaftungszeitraum bestellt werden. Im Hinblick auf verbleibende Unsicherheiten ist die Absicherung des Haftungsrisikos durch den Abschluss einer Vermögensschadenhaftpflicht darüber hinaus zwingend notwendig.