Interview mit Herrn RA Eberhard Rott, FA für Erbrecht, FA für Steuerrecht, Vorsitzender der AGT

in dem Beitrag ‚Testamentsvollstrecker – Welche Aufgaben und Rechte haben sie?, veröffentlicht in DeutscheAnwaltsauskunft|Magazin am 03.11.2015 (–>)

Streit um ein Erbe kennen viele Familien. Doch solchen Zank können Erblasser verhindern, indem sie einen Testamentsvollstrecker in ihrem Testament bestimmen. Aber Testamentsvollstrecker helfen nicht nur gegen Erbstreit. Sie können darüber hinaus viele andere Aufgaben im Erbfall übernehmen.

Der Schlagersänger Udo Jürgens starb vor knapp einem Jahr. Bereits kurz nach seinem Tod stritten seine beiden Kinder heftig um den väterlichen Nachlass. Allerdings: Die Jürgens-Kinder sind kein Einzelfall, Erbstreit gibt es in vielen Familien und das nicht nur bei Reichen und Prominenten.

Dabei müssten solche Konflikte eigentlich nicht sein, zumindest gibt es Möglichkeiten, sie zu entschärfen oder sogar komplett zu umgehen. Wenn ein Erbstreit bereits im vollen Gange ist, können betroffene Familien einen Mediator einschalten. Dieser vermittelt zwischen den Parteien und hilft dabei, den Konflikt zu lösen und einen Kompromiss zu finden.

Man kann Erbstreit aber auch manchmal von vornherein verhindern, indem ein Erblasser zu seinen Lebzeiten jemanden als Testamentsvollstrecker in seinem Testament oder Erbvertrag bestimmt. In seinem letzten Willen kann der Erblasser aber auch nur eine Person oder ein Nachlassgericht damit beauftragen, einen Testamentsvollstrecker einzusetzen.

Welche Aufgaben haben Testamentsvollstrecker?
Testamentsvollstrecker sind in rund sieben Prozent aller Erbfälle tätig. Dabei handelt es sich aber nicht nur um Erbfälle, bei denen viel Geld und Vermögen vererbt wird. Oft setzen auch Erblasser aus ganz „normalen“ Familien einen Testamentsvollstrecker ein, gerade, wenn der der Erbfall komplex ist und etwa auch Vermögen im Ausland umfasst. Auch bei der Versorgung von Bedürftigen kann er eine große Rolle spielen.

Meist bestimmen Erblasser ein Familienmitglied zum Testamentsvollstrecker, aber auch Rechtsanwälte oder Steuerberater übernehmen diese Aufgabe häufig. Es kann sogar von  Vorteil sein, wenn ein Testamentsvollstrecker nicht zur Familie gehört. „Das betont den Erben gegenüber, dass der Testamentsvollstrecker neutral ist und selbst keine eigenen Ziele verfolgt, sondern nur den Willen des Erblassers vertritt“, sagt der Bonner Rechtsanwalt Eberhard Rott von der Arbeitsgemeinschaft Erbrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV).

Ein Testamentsvollstrecker ist also eine überparteiische Instanz, die die Wünsche oder auch Auflagen umsetzt, die der Erblasser in seinem Testament oder Erbvertrag bestimmt hat. Dabei nimmt der Testamentsvollstrecker den Nachlass des Verstorbenen für eine gewisse Zeit in seinen Besitz. Die Erben können dann nicht an den Nachlass, sondern müssen warten, bis der Testamentsvollstrecker seine Arbeit beendet hat.

Was ist der Unterschied zwischen einer Abwicklungsvollstreckung und einer Dauertestamentsvollstreckung?
Erblasser sind kaum in dem begrenzt, was sie in ihrem Testament vorgeben dürfen, weswegen die Aufgaben eines Testamentsvollstreckers sehr vielfältig sein können. Ihre  Aufgaben werden aber auch von der Form der Testamentsvollstreckung bestimmt, die der Erblasser gewählt hat.

Man unterscheidet dabei zwei Formen:

Die üblichste Form ist die Abwicklungsvollstreckung. Dabei wickelt der Testamentsvollstrecker den Nachlass ab und teilt Geld und Vermögen unter den Erben auf. Besonders diese Art der Vollstreckung bietet sich an, um Streit unter Erben zu verhindern und zwischen ihnen zu vermitteln.

Bei der Dauertestamentsvollstreckung verwaltet der Testamentsvollstrecker den Nachlass eines Verstorbenen für eine bestimmte Zeit. In dieser Zeit ruht das Vermögen aber nicht, denn der Testamentsvollstrecker kann und muss dann sogar das Vermögen mehren und beispielsweise Geld anlegen oder Immobilien vermieten.

Wann kann eine Dauertestamentsvollstreckung sinnvoll sein?
Die Motive von Erblassern, Dauertestamentsvollstreckungen zu bestimmen, sind vielfältig: „Mancher Erblasser will etwa einem Kind Vermögen hinterlassen und dieses von einem Testamentsvollstrecker verwalten lassen, bis es volljährig ist“, sagt Rechtsanwalt Rott.

Auch wer verhindern will, dass der Erbteil eines Erben mit Steuerschulden sofort an das Finanzamt fällt, bestimmt in seinem letzten Willen oft eine Dauertestamentsvollstreckung. Unter der Verwaltung eines Testamentsvollstreckers ist der Erbteil vor dem Zugriff des Finanzamtes geschützt, man wartet dann die Zahlungsverjährung ab.

„Häufig wählen Familien aus dem Adel oder der Großindustrie diese Form der Testamentsvollstreckung, um einen Nachlass zusammenzuhalten“, erklärt Erbrechtsspezialist Eberhard Rott. „Man verhindert so, dass ein Nachlass geteilt und dabei zum Beispiel große Ländereien zerrissen oder Unternehmen zerschlagen werden.“

Wie lange dauert eine Testamentsvollstreckung?
Dauertestamentsvollstreckungen dürfen maximal 30 Jahre dauern, manchmal gehen sie aber weit darüber hinaus bis zum Tod eines Erben. Das geschieht regelmäßig bei „Behindertentestamenten“. Bei einer Abwicklungsvollstreckung endet die Arbeit des Testamentsvollstreckers, wenn der Nachlass abgewickelt und die Erbschaftssteuer bezahlt ist. Wie lange das dauern darf, ist gesetzlich nicht geregelt.

Welche Befugnisse haben Testamentsvollstrecker?
Beim Abwickeln eines Testaments haben Testamentsvollstrecker viele Befugnisse. „Diese hängen davon ab, was der Erblasser in seinem Testament bestimmt hat“, sagt Rechtsanwalt Rott. „Hat der Erblasser nichts bestimmt, greifen die gesetzlichen Regeln.“

Die Befugnisse eines Testamentsvollstreckers sind weitreichend, seine Kontrolle gering. Erben können in der Zeit, in der der Testamentsvollstrecker den Nachlass abwickelt,  nicht darauf zugreifen. Vorschriften für seine Arbeit dürfen Erben ihm nicht machen. Er umgekehrt muss sich seine Maßnahmen von den Erben nicht genehmigen lassen.

Testamentsvollstrecker: Welche Pflichten haben sie?
Doch so autonom Testamentsvollstrecker sind – alles was sie wollen dürfen sie nicht tun. Sie haben im Gegenteil klar umrissene Pflichten, die das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) definiert: Danach sind Testamentsvollstrecker dazu verpflichtet, den Nachlass eines  Verstorbenen ordnungsgemäß zu verwalten und allein dessen Willen umzusetzen. „Außerdem müssen Testamentsvollstrecker ein Nachlassverzeichnis erstellen, das das Vermögen des Verstorbenen, aber auch dessen Schulden auflistet“, sagt Eberhard Rott.

Gegenüber den Erben sind Testamentsvollstrecker nachweispflichtig, sie müssen ihnen Auskunft über ihre Arbeit geben. Auch sind sie bei länger dauernden Testamentsvollstreckungen dazu verpflichtet, eine jährliche Rechnungslegung zu führen. All diese Pflichten müssen Erben allerdings einfordern.

Verstoßen Testamentsvollstrecker gegen ihre Pflichten oder üben ihre Aufgaben schlampig oder zum Nachteil der Erben aus, können diese sie haftbar machen. Testamentsvollstrecker haften mit eigenem Vermögen, daher sollten sie zumindest über eine Haftpflichtversicherung verfügen.

Können Erben einen Testamentsvollstrecker entlassen?
Erben, die mit der Arbeit des Testamentsvollstreckers unzufrieden sind, können ihn nicht entlassen, seine Entlassung aber beim Nachlassgericht beantragen. Für schlechte Arbeit können sie den Testamentsvollstrecker belangen und Schadensersatz von ihm fordern.

„Aber es ist schwierig, einen Testamentsvollstrecker zu entlassen. Das ist nur bei einer sehr schweren Pflichtverletzung möglich“, erklärt Rechtsanwalt Rott. Eine schwere Pflichtverletzung könnte ein Testamentsvollstrecker dann begehen, wenn er etwa eine Immobilie aus dem Nachlass deutlich unter Wert verkauft und damit das Erbe schmälert. Oder sich Vermögen selbst einverleibt – und sei es auch nur als Darlehen.