Stiftungsrechtsreform und Verantwortungseigentum

AnwZert ErbR 22/2020 – AUFSÄTZE

Editorial 22/2020 – Stiftungsrechtsreform und Verantwortungseigentum,
von Dr. K. Jan Schiffer, RA und Zert. Testamentsvollstrecker (AGT), SP§P Schiffer & Partner, Bonn

Die AGT bedankt sich bei Juris und AnwZert ErbR für die Erlaubnis zur Veröffentlichung des Aufsatzes.

RA Dr. K. Jan Schiffer

Werte Kolleginnen
und Kollegen!

Die Regelung der Unternehmensnachfolge ist
nach wie vor ein großes Thema. Wir alle wissen
das. Es sind immer wieder Speziallösungen gefragt
– etwa unter der Einbindung von Stiftungen.

 

Da ist es für uns alle interessant, dass am
16.09.2020 – nachdem die Reformbestrebungen
nun schon einige Jahre andauern – der Referentenentwurf
zu einem neuen und möglicherweise
„strengeren“ Stiftungsrecht (1) vorgelegt worden ist,
der mutmaßlich noch in dieser Legislaturperiode
so oder in ähnlicher Form Gesetz werden wird, so
vermuten jedenfalls die Experten.

Rawert, ein bekannter streitbarer Stiftungsrechtler
und Notar aus Hamburg, hat es in der FAZ vom
08.10.2020 auf S. 6 unter anderem so kommentiert:
„Galt seit der Reform 2002, dass bei der Gestaltung
einer Stiftungssatzung alles erlaubt ist,
was das Gesetz nicht verbietet, wird dieser Grundsatz
künftig umgekehrt.“ Das würde ersichtlich
auch die Nachfolgeregelung unter Einbindung von
Stiftungen nicht eben erleichtern. Zudem stellt
sich die nicht ganz unwesentliche Frage, was unter
der Ägide des neuen Gesetzes für die alten Stiftungen
gilt, die typischerweise mit Blick auf eine
ganz andere Gesetzeslage errichtet worden sind.

Auch sonst wird der Referentenentwurf in der
Fachwelt unter verschiedenen Gesichtspunkten
deutlich kritisiert.(2) Auf die nicht von der Hand zu
weisende Ironie, dass ein Gesetz „zur Vereinfachung
des Stiftungsrechts“ aus bisher neun Paragraphen
des BGB nun 35 Paragraphen macht,
weist der Kollege Rawert ebenfalls hin. Eine gewisse
Erweiterung des Gesetzes mag vor dem Hintergrund
gerechtfertigt sein, dass nach dem Gesetzesvorschlag
die Vorschriften der bisher 16 Landesstiftungsgesetze
gestrichen und im Bundesrecht
vereinheitlich werden, dennoch bleibt eine
Tendenz zur Überregulierung. So dürfte etwa in
§ 80 Abs. 1 des Entwurfes die Definition der Stiftung
überflüssig sein.

In dem Entwurf sollen etwa auch die durchaus problematischen
Verwaltungsauffassungen zur Verbrauchsstiftung
festgeschrieben werden, deren
gesetzliche Regelung bisher schon wenig praxistauglich
war. Andererseits fehlt in dem Referentenentwurf
eine wünschenswerte Klarstellung zu
dem streitigen Thema des Schriftformerfordernisses
eines Stiftungsgeschäftes, das die Übertragung
von Immobilien und/oder GmbH-Anteilen
vorsieht.(3) Zu begrüßen ist, dass der Referentenentwurf
zumindest die vielfach geforderte Einführung
eines Stiftungsregisters mit Publizitätswirkung
aufgreift.

Wir merken: Da werden gerade wir Berater, die wir
mit den neuen Regelungen und den Wünschen der
Mandanten umgehen müssen, noch vieles neu zu
durchdenken und zu bewerten haben.

Das ist die eine nicht unbedingt erfreuliche Seite!
Auf der anderen Seite macht sich eine Initiative
(„Stiftung Verantwortungseigentum e.V.“) (4) in der
letzten Zeit durchaus öffentlichkeitswirksam daran,
als eine Art Konkurrenz zur Stiftung eine neue
Form der GmbH, nämlich die GmbH „in Verantwortungseigentum“
zu propagieren. Durch einen sog.
„Asset-Lock“ sollen dort die Gesellschafter weder
Gewinnausschüttungen erhalten, noch sind sie am
Wertzuwachs des Unternehmens beteiligt. Sowohl
bei einem Ausscheiden als auch bei der Liquidation
der Gesellschaft erhielten sie nur den Nominalwert
ihrer Einlage zurück. Auch dieses Vorhaben
sieht sich in der Fachwelt erheblicher und berechtigter
Kritik ausgesetzt. (5)

Von besonderem Interesse ist für Stiftungspraktiker
der in dem Entwurf und auch in der Diskussion
immer wieder angestellte grundlegende Vergleich
zur (rechtsfähigen) Stiftung. So heißt es
in der Begründung des Gesetzesentwurfs (6), bisher
müssten „zur Verwirklichung von Verantwortungseigentum
hochkomplexe Stiftungs- und Gesellschaftskonstruktionen“
geschaffen werden. Solche
Konstruktionen brächten jedoch „hohen Beratungsaufwand
und damit erhebliche Kosten“
mit sich. Das hebt ersichtlich u.a. auf die staatliche
Stiftungsaufsichtsbehörde ab. Zur Begründung
wird auf eine Veröffentlichung der „Purpose
Stiftung“ (tatsächlich eine GmbH) sowie auf eine
Allensbach-Umfrage und auf eine BDO-Stellungnahme
verwiesen.

Sowohl die zitierten Ausführungen selbst als auch
die dort genannten Quellen sind leider wenig präzise.
Die Begründung für die Gesetzesinitiative
greift damit schon bei ihrer Grundannahme deutlich
zu kurz. So handelt es sich bspw. bei zwei
der drei von der „Purpose Stiftung“ in ihrer Untersuchung
genannten Beispielen für den angeblich
erhöhten Aufwand von Stiftungsgründungen
tatsächlich nicht um rechtsfähige Stiftungen, sondern
jeweils um eine Stiftungs-GmbH. Auch die
„Bosch-Stiftung“, die in dem Gesetzesentwurf als
Vorbild genannt wird, ist bekanntlich keine rechtsfähige
Stiftung, sondern eine Stiftungs-GmbH. Da
eine Stiftungs-GmbH aber gerade nicht der staatlichen
Aufsicht durch die Stiftungsbehörden unterfällt,
gehen diese „Belege“ für eine angeblich
„hohe Bürokratie“ von Stiftungskonstruktionen ins
Leere. Die ersichtliche Oberflächlichkeit bei der
Suche nach den im Gesetzesentwurf verwendeten
Quellen spricht nicht gerade für die erforderliche
Kenntnis im Themenbereich Verantwortungseigentum
bei den Initiatoren der Gesetzesinitiative.

Es stellt sich naheliegend gerade auch die praktische
Frage, ob der Beratungsaufwand bei der
Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter
Haftung „in Verantwortungseigentum“ tatsächlich
geringer sein wird, als bei einer rechtsfähigen Stiftung
etwa in Verbindung mit einer Unternehmensträger-
GmbH als 100%-Tochter. In beiden Fällen
handelt es sich um Entscheidungen, die erhebliche
Auswirkungen für die Zukunft des Unternehmens
haben und deshalb gründlich bedacht und
geprüft sein müssen. Das wird in beiden Fällen einen
ähnlichen Beratungsaufwand auslösen, denn
es geht hier nicht nur um Rechtstechnik, sondern
um Abstimmung in der Unternehmerfamilie mit
Blick auf das Unternehmen und dessen wesentlichem
Geschäftspartner. Das bestimmt im Wesentlichen
den Beratungsaufwand. Wer jemals in dem
Bereich beraten hat, der weiß das! Unabhängig
davon ist zu erwarten, dass auch der „laufende
Betrieb“ der Gesellschaftsform Verantwortungseigentums-
GmbH mit seinen komplexen neuen Regelungen
intensiver rechtlicher Begleitung bedarf.
Dazu werden in Kürze u.a. in der NZG gründliche
Aufsätze erscheinen.

Tatsächlich sind Stiftungsgestaltungen nicht per
se besonders komplex, auch wenn manche Berater
– es sei auch hier beklagt – vielleicht besonders
gerne komplexe und beratungsintensive Gestaltungen
„verkaufen“ möchten und Entsprechendes
suggerieren. Wenn ein Unternehmer zur Optimierung
unterschiedlicher Vorstellungen allerdings zu
einem Doppelstiftungsmodell, d.h. in der Regel zu
einer Familienstiftung und einer gemeinnützigen
Stiftung, greifen möchte und dazu etwa noch eine
Stiftung in einem „steuerfreundlichen“ Ausland
einbinden möchte, ja, dann wird es komplex. Aber
so ein Fall kann doch nicht ernsthaft mit einer einzelnen
neuen GmbH verglichen werden.

Fazit: Wer sich in einem Thema nicht auskennt,
vergleicht aus der (fachlichen) Ferne gerne Äpfel
mit Birnen.

Wie schön, dass das in der Fachwelt ebenso ernsthaft
diskutiert wird, wie der Referentenentwurf
zum neuen Stiftungsrecht. Leider ist zu befürchten,
dass letzterer mehr oder weniger – wie von
der Exekutive vorgelegt – im ersten Halbjahr 2021
Gesetz werden wird. Das wird uns viele Denk- und
Beratungsaufgaben bringen.

Bleiben Sie gesund, auf Abstand und wohlgemut!
Herzlichst
Ihr
K. Jan Schiffer

———————–
1 Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung
des Stifungsrechts, abrufbar hier, zuletzt abgerufen
am 03.11.2020.
2 Vgl. nur die Stellungnahme von Arnold/Burgard/
Roth/Weitemeyer v. 16.10.2020, abrufbar hier,
zuletzt abgerufenam 03.11.2020.
3 Ausführlich dazu etwa Pruns, ErbR 2020, 163;
OLG Köln, Beschl. v. 05.08.2019 – 2 Wx
220/19, 2 Wx 227-229/19.
4 www.stiftung-verantwortungseigentum.de,
zuletzt abgerufen am 03.11.2020.
5 Vgl. etwa die Kommentare von
Fleisch v. 15.10.2020, abrufbar hier, zuletzt
abgerufen am 03.11.2020
AnwZert ErbR 22/2020
und Arnold/Burgard/Roth/Weitemeyer v.
21.10.2020, abrufbar hier, zuletzt abgerufen
am 03.11.2020.
6 Entwurf eines Gesetzes für die
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
in Verantwortungseigentum, abrufbar
hier, zuletzt abgerufen am
03.11.2020.