4. Schweizerisch-deutscher Testamentsvollstreckertag Online

Tagungsbericht von Katharina Weiler, RAin, FAin ErbR

Der 4. Schweizerisch-deutsche Testamentsvollstreckertag (SDTV) brachte am 23.04.2021 wieder renommierte Referenten und Praktiker aus beiden Ländern zusammen und ermöglichte profunde Einblicke in die neueren Entwicklungen des Testamentsvollstreckerberufes in Deutschland sowie in der Schweiz, aber auch über deren Grenzen hinaus bei international angelegten Erbfällen. Veranstaltet wird der SDTV von der AGT traditionell in Zusammenarbeit mit dem schweizerischen Verein Successio. Dank der Unterstützung der Fachseminare von Fürstenberg konnte die Seminarveranstaltung in diesem Jahr in rein virtueller Form stattfinden.

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Ausrichter des Webinars

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Nach einer kurzen Begrüßung durch den Vizepräsidenten des Vereins Sucessio, Herrn Rechtsanwalt Prof. Dr. Hans Rainer Künzle sowie den Vorsitzenden der AGT, Herrn Rechtsanwalt Eberhard Rott startete unmittelbar die erste Runde des Seminartages mit dem Thema „Der Willens-/Testamentsvollstrecker und sein Ausweis im In- und Ausland“. Aus deutscher Sicht erläuterte Herr Prof. Dr. Wolfgang Reimann, Professor an der Universität Regensburg und Notar a.D., zunächst die Besonderheiten des deutschen Testamentsvollstreckeramtes. Er stellte zunächst dar, dass die wichtigsten Wirkungen der Testamentsvollstreckung, die den Erben verdrängende Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, bereits mit dem Erbfall einsetzen und daher bis zur Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses (TVZ) oder eines Europäischen Nachlasszeugnisses (ENZ) mehrere Monate vergehen können, in denen der Nachlass ohne legitimierten Verwalter sein kann. Er gab den Hinweis, dass es in dieser Zeit hilfreich sein kann, wenn der Erblasser einen transmortal oder postmortal Bevollmächtigten einsetzt. Dabei solle man jedoch nicht vergessen, auch das Innenverhältnis dieser Vollmacht zu regeln.

Nach einem Überblick über alternative Legitimationsmöglichkeiten des Testamentsvollstreckers ging Herr Prof. Dr. Reimann auf die Akzeptanz der verschiedenen Nachweise in Europa sowie dem übrigen Ausland ein. Am Beispiel von Polen erläuterte er, dass dort ein ENZ sinnvoll sei, weil darin auch die Befugnisse des Testamentsvollstreckers aufgeführt seien. Das Zeugnis müsse aber von einem juristisch qualifizierten Übersetzer in die Landessprache übertragen werden, um anerkannt zu werden. Auch trans- und postmortale Vollmachten könnten auf diese Weise ihre Anerkennung im Ausland finden, da diese dort häufig als erbrechtliche Verfügungen angesehen würden. Wichtig sei es, bei der Nachfolgeberatung und -gestaltung frühzeitig Fragen der Legitimation des Testamentsvollstreckers miteinzubeziehen.

Herr Prof. Dr. Hans Rainer Künzle stellte sodann das Thema aus schweizerischer Sicht dar, wobei er zunächst die Problematik der Anerkennung von Legitimationsurkunden ausländischer Testamentsvollstrecker in der Schweiz und sodann diejenige der Anerkennung des Schweizer Willensvollstreckerausweises bei Nachlass im Ausland erläuterte.

Er gab zu bedenken, dass die Frage des Willensvollstreckerausweises im ZGB nicht geregelt sei und sowohl die Ausstellung als auch die Zuständigkeiten für den Willensvollstreckerausweis je nach Kanton in der Schweiz unterschiedlich gehandhabt würden.

Ein Willensvollstreckerausweis könne jedoch anders als in Deutschland bereits vor Testamentseröffnung ausgestellt werden und sei unabhängig von der Erbbescheinigung, welche dem deutschen Erbschein entspricht. Der Willensvollstreckerausweis entfalte – ähnlich wie in Deutschland – eine provisorische, nicht materiell-rechtliche Legitimationswirkung und folge den gleichen Grundsätzen wie dieser. Er gelte interkantonal und entfalte bis zu seiner Einziehung eine Rechtsscheinswirkung und bewirke so den Schutz eines gutgläubigen Dritten.

Im Falle einer Ungültigkeitsklage gem. Art. 519 ZGB ergäbe sich allerdings – ebenfalls anders als in Deutschland – eine Beschränkung der Willensvollstreckerbefugnisse. Zwar sei der Willensvollstrecker in der Schweiz grundsätzlich ein Generalexekutor, aber aufgrund von Tätigkeitsbeschreibungen im Willensvollstreckerausweis könne sich eine Beschränkung – auch ungewollt – ergeben. In der Schweiz sei es umstritten, ob Banken einen Willensvollstreckerausweis fordern dürften. In der Praxis sei es jedenfalls üblich. Eine Abschrift der Testamentseröffnung werde jedenfalls nicht so gut akzeptiert wie in Deutschland. Sodann erläuterte Herr Prof. Dr. Künzle die Problematiken der verschiedenen Erbstatute und ging auch auf Formfragen ein, die in der Schweiz zum Teil anders gehandhabt werden als in Deutschland. Beispielsweise könne ein Willensvollstrecker nicht in einem Erbvertrag ernannt werden. Er könne das Amt aber stillschweigend annehmen, eine ausdrückliche Annahmeerklärung wie in Deutschland sei nicht erforderlich. Auch eine Befreiung vom Verbot des Insichgeschäfts kenne das schweizerische Recht nicht.

In der nächsten Vortragssequenz ging es um das Thema „Abwicklungs- und Dauervollstreckung“. Herr Prof. Dr. Anatol Dutta von der Universität München machte den Anfang mit Erläuterungen zur aktuellen Rechtslage in Deutschland. Er stellte zunächst klar, dass der Grundtypus im BGB der Abwicklungsvollstrecker i. S.d. § 2203 BGB ist, der jedoch ebenfalls zu Verwaltungsmaßnahmen berechtigt ist, wenn diese der Abwicklung des Nachlasses und der Erbauseinandersetzung i.S.d. § 2204 BGB dienen. Die Dauertestamentsvollstreckung hingegen hat gemäß § 2209 BGB die Verwaltung des Nachlasses als Selbstzweck. Aufgrund der Verdrängung des Erben aus der Verfügungsberechtigung über den Nachlass gemäß § 2211 BGB und der Abschirmwirkung des § 2214 BGB führe dies dazu, dass der oder die Erben unter Umständen für sehr lange Zeit faktisch entrechtet würden. Sie verlieren durch die Testamentsvollstreckung alle materiellen Funktionen eines gewöhnlichen Rechtsträgers. Die Regelung des § 2217 BGB, also die Freigabe von Nachlassgegenständen laufe praktisch leer und hinterlasse dem Erben sein Eigentum als „nudum ius“, also als „nacktes Recht“.

Der Erbe habe allerdings nach dem BGB einen gewissen Schutz gegen die Anordnung einer Dauertestamentsvollstreckung, denn er könne zum einen ausschlagen und gemäß § 2303 BGB dennoch seinen Pflichtteil fordern. Zum anderen könne er gemäß § 2078 BGB das Testament auch bei einem Motivirrtum des Erblassers anfechten. In beiden Fällen müsse er jedoch Fristen beachten und bekannterweise ist die Frist bei der Ausschlagung sehr kurz. In der Praxis seien daher die erbrechtlichen zeitlichen Grenzen der Testamentsvollstreckung relevanter. Diese liegen gemäß § 2210 S. 1 BGB grundsätzlich bei 30 Jahren. Gemäß § 2210 Satz 2 BGB gäbe es allerdings großzügige Verlängerungsoptionen für natürliche Personen als Testamentsvollstrecker. Lediglich einer niemals endenden Endlosschleife habe der BGH einen Riegel vorgeschoben, denn der letzte in einer Reihe von Ersatztestamentsvollstreckern müsse nach seiner Rechtsprechung innerhalb der 30-Jahres-Frist ernannt werden.

Herr Prof. Dr. Dutta gab zu bedenken, dass eine solch weite Rechtsmacht des Testamentsvollstreckers im Ausland ihresgleichen sucht. Die meisten anderen Rechtsordnungen, z.B. in Frankreich, reduzieren die Testamentsvollstreckung auf einen vorübergehenden Zustand, der der Abwicklung des Nachlasses dient. In den Niederlanden hingegen sei zumindest ein Antrag der Erben zulässig, der auf Auflösung der Dauertestamentsvollstreckung nach fünf Jahren gerichtet sei. Seiner Ansicht nach wäre auch in Deutschland eine Auslegungsregel in der Weise sinnvoll, dass bei Zweifeln hinsichtlich der Auslegung einer letztwilligen Verfügung keine Dauertestamentsvollstreckung anzunehmen sei. Dem liege zugrunde, dass regelmäßig der Erblasser besonders gegenüber seinen Kindern einen Paternalismus an den Tag läge und deren Fähigkeiten meist deutlich geringer einschätze als die eigenen.

Herr Prof. Dr. Breitschmid, Präsident des Vereins Successio und Co-Leiter der Fachanwaltsausbildung Erbrecht SAV, schloss daran an mit einem Überblick über die Rechtslage zur Abwicklungs- und Dauertestamentsvollstreckung in der Schweiz. Zunächst bestätigte er die Ansicht von Herrn Prof. Dr. Dutta, dass Selbstüberschätzungen des Erblassers häufig familiensystemische Effekte erzielen und die Nachfolgeregelungen nicht immer günstig beeinflussen. Er erläuterte darüber hinaus auch, dass die rechtlich aktive Lebenszeit eines Menschen nur einen Teil seines Lebens ausmache und sich die Erfahrung in den verschiedenen Lebensphasen wandle. Dann ging er darauf ein, dass im schweizerischen Erbrecht ein ähnlicher Geist zu finden sei wie im deutschen. Aufgrund eines ähnlichen rechtskulturellen Hintergrundes und der viel höheren Einwohner- und damit Fallzahlen in Deutschland würden in der Schweiz daher häufig deutsche Rechtsprechung und Literatur in Zweifelsfragen herangezogen werden. Anders als in Deutschland sei die Dauertestamentsvollstreckung in der Schweiz jedoch gar nicht zeitlich befristet. Nach dem schweizerischen ZGB 4 habe das Gericht allerdings ein Ermessen in der Würdigung der Umstände und „seine Entscheidung nach Recht und Billigkeit zu treffen“ und nach ZGB 1 habe es in Ermangelung einer gesetzlichen Regelung aufgrund von „bewährter Lehre und Überlieferung“ (auch rechtsvergleichend) „nach der Regel [zu] entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde“. Eine Beschränkung der Dauertestamentsvollstreckung sei aufgrund dieser Vorschriften daher aufgrund einer gerichtlichen Ermessensentscheidung möglich. Dabei spiele die Grundtendenz des schweizer Rechts eine Rolle, welches grundsätzlich antidynastisch angelegt und nur wenig auf Perpetuierung gerichtet sei. In der Schweiz sei die Testamentsvollstreckung zudem ein Auftragsverhältnis, welches bei Fortfall oder Erfüllung ihres Zwecks – nämlich der Auseinandersetzung oder der Lösung der Probleme, für die der Testamentsvollstrecker eingesetzt wurde – ihren Sinn und damit ihre Berechtigung verliere. Anhand von drei Beispielsfällen aus der Praxis illustrierte Herr Prof. Dr. Breitschmid sodann seine Kernthese, dass die Abwicklung das Ziel und die Dauervollstreckung eine Ausnahme bleiben müsse.

Rechtsanwalt Prof. Dr. Rainer Lorz von der Universität Stuttgart führte sodann die Teilnehmenden in das komplexe Thema der „Rolle des Willens-/Testamentsvollstreckers bei der Bewertung des Nachlasses“ aus deutscher Sicht ein. Obwohl man dieses Thema nicht sogleich mit den Aufgaben eines Testamentsvollstreckers assoziiere, müsse sich der Testamentsvollstrecker in der Praxis dennoch häufig damit befassen. Bewertungsfragen tauchten laut Prof. Dr. Lorz nicht nur im Rahmen eines unternehmerischen Vermögens auf. Es könne auch sein, dass der Erblasser dem Testamentsvollstrecker speziell diese Aufgabe auferlegt und dieser entweder eine Auseinandersetzung nach billigem Ermessen durchzuführen hat oder sogar eine schiedsgutachterliche Funktion erfüllen muss. Aber auch im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung nach § 2216 BGB könne eine Bewertung notwendig werden. Denn nach der Rechtsprechung sei der Testamentsvollstrecker zum Teil sogar verpflichtet, eine Bewertung durchzuführen. So habe er sich etwa „…um die bestmögliche Verwertung eines Nachlassgrundstücks zu bemühen…“ und dürfe sich nicht „…mit einem nur mäßigen Erfolg seiner Tätigkeit begnügen…“ (BGH, 14.12.1994, IV ZR 184/93). Hierfür müsse er aber zunächst wissen, was der Wert des Grundstücks sei und habe daher vor einer Veräußerung ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen einzuholen. Bei Unklarheiten müsse ggf. sogar ein weiteres Gutachten vorgelegt werden. Andere Berührungspunkte könne es zudem im Rahmen der Auseinandersetzung des Nachlasses oder bei unentgeltlichen Verfügungen geben. Unter die unentgeltlichen Verfügungen fielen nämlich auch gemischte Schenkungen oder nicht gleichwertige Gegenleistungen. Was aber gleichwertig sei, könne nur auf der Basis einer Bewertung ermittelt werden. Auch biete es sich häufig an, bereits im Rahmen der Erstellung des Nachlassverzeichnisses auf Bewertungsfragen einzugehen, auch wenn dies eigentlich vom Testamentsvollstrecker nicht geschuldet sei. Es könne aber helfen, eine Erbauseinandersetzung vorzubereiten. Selbstverständlich seien Wertermittlungen auch im Rahmen von gerichtlichen Kostenfestsetzungen oder bei der Festsetzung der Höhe der Vergütung des Testamentsvollstreckers sehr wichtig.

Direkt im Anschluss wurde das Thema von Herrn Rechtsanwalt Dr. Rene Strazzer aus schweizerischer Sicht beleuchtet. Sein Vortrag brachte den Teilnehmenden einen vertieften Einblick in die verschiedenen Bewertungsmethoden und erläuterte die Unterschiede zwischen den Begriffen „Verkehrswert“, „Ertragswert“ und „Steuerwert“. Herr Dr. Strazzer machte deutlich, dass auch in der Schweiz ein Methodenpluralismus herrsche und erläuterte auch die Grundzüge der Realwertmethode, der Substanzmethode (bei Unternehmen), der Ertragswertmethode, der Mischwertmethode (die auch als „Praktikermethode“ bezeichnet wird), der Lageklassenmethode und des Discounted-Cash-Flow-Ansatzes. Er machte auch deutlich, dass verschiedene Zeitpunkte als Anknüpfung für die Bewertung in Frage kommen. Grundsätzlich habe der Schweizer Willensvollstrecker keine Entscheidungsbefugnis in Bewertungsfragen. Entsprechende letztwillige Verfügungen, die dem Willensvollstrecker ein Ermessen einräumten, seien jedoch zulässig.

Im letzten Teil des ganztägigen Seminars ging es um den Bereich „Digitaler Nachlass bei der Willens-/Testamentsvollstreckung“. Frau Rechtsanwältin Dr. Stephanie Herzog stellte im Rahmen ihres Vortrags zum deutschen Recht das bemerkenswerte „Facebook“-Urteil des BGH dar (BGH, Urteil vom 12.07.2018 – III ZR 183/17). In dem zugrundeliegenden Fall war ein 15-jähriges Mädchen von einer U-Bahn erfasst worden und verstorben. Die Eltern versuchten sodann Zugriff auf das Facebook-Konto ihrer verstorbenen Tochter zu erhalten, welches aber in einen Gedenkzustand versetzt worden war und daher keinerlei Kommunikationsinhalte mehr enthielt. Hintergrund war, dass die U-Bahn-Betreiber von einem Selbstmord des Mädchens ausgingen und Schadensersatzansprüche gegen die Eltern als Erben geltend machten. Schwerpunkte der Entscheidung drehten sich insbesondere um die Frage, ob ein digitaler Nachlass vererblich sei. Der BGH kam zum Ergebnis, dass nicht nur deutsches Recht anwendbar sei, auch gehe sowohl der Vertrag als auch auf dem Benutzerkonto gespeicherte Inhalte auf die Erben über. Frau Dr. Herzog ging auch auf die Erfüllung dieses Urteils seitens Facebook ein, welche zu einem weiteren Verfahren geführt hatte. Facebook hatte den Eltern eine 14.000 Seiten starke PDF zur Verfügung gestellt, anstatt den begehrten Zugriff zum Konto zu gewähren. Mit einem weiteren Urteil machte der BGH deutlich, dass das nicht der Weg sein dürfe (BGH, Urteil vom 27.08.2020 – III ZB 30/20). Der Gedenkzustand sei aufzuheben und ein Zugriff auf das Konto sei den Erben in vollem Umfang zu gewähren. Unabhängig davon, dass das verhängte Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro bei Facebook nur ein Schulterzucken ausgelöst haben mag, machte Frau Dr. Herzog deutlich, dass es sich um ein grundlegendes Urteil für den Umgang mit dem digitalen Nachlass handelt. Sie ging auch auf die Reaktionen der Datenriesen und deren neuere Versuche ein, ihre AGB anzupassen, um doch noch die Vererblichkeit auszuschließen. Nach herrschender Meinung sei es Inhalt der Aufgaben eines Testamentsvollstreckers, auch den digitalen Nachlass zu sichern und zu verwalten. Das Thema wird uns daher in naher Zukunft mit Sicherheit weiter beschäftigen.

Aus Schweizer Sicht stellte Herr Rechtsanwalt Dr. Daniel Leu die Feinheiten des Umgangs eines Willensvollstreckers mit dem digitalen Nachlass dar. Er bestätigte die Ansicht des BGH und sagte, ein schweizer Gericht hätte vermutlich entsprechend entschieden. Auch in der Schweiz gäbe es keine speziellen Normen für den digitalen Nachlass, sondern es gelte das allgemeine Recht. Er ging auf die Pflichten zur Sicherung des digitalen Nachlasses sowie aktuelle Fälle aus der Praxis, in denen z.B. ein Passwort für Krypto-Währungen auf einem alten Rechner aus Versehen entsorgt worden war. Hier drohten dem Testamentsvollstrecker Haftungsansprüche der Erben, wenn er sich nicht angemessen um den digitalen Nachlass kümmere. Er erläuterte die Feinheiten des Persönlichkeitsschutzrechts sowie der Behandlung von Daten im Erbrecht. Unter anderem stellte er einen Beispielsfall aus der Praxis vor, in dem die Erblasserin auf ihrem Smartphone intime Fotos von sich selbst, von ihrem Ehemann sowie von einer Affäre hinterlassen hatte. Die Erbengemeinschaft bestand aus dem Ehemann, zwei gemeinsamen Kindern der Erblasserin und des Ehemannes sowie einem nicht gemeinsamen Kind. Anhand dieses Falles machte er deutlich, dass das Persönlichkeitsrecht der Vererbbarkeit von Ansprüchen zwar nicht entgegensteht, aber Ansprüche aus Persönlichkeitsschutz nach dem Schweizer Recht ebenso wie in Deutschland höchstpersönlich sind und grundsätzlich nicht vererbt werden können. Anhand weiterer Beispielsfälle erläuterte Herr Dr. Leu zudem auch die Problematik des Datenschutzes, Ansprüche der Erben aus Arbeitsverträgen sowie Details der verschiedenen digitalen Vermögenswerte.

In der auf eine Stunde angesetzten, aufgrund der regen Beteiligung jedoch deutlich verlängerten gemeinsamen Diskussionsrunde am Schluss wurden Fragen der Teilnehmer beantwortet. Zunächst ging es um Probleme der Testamentsvollstreckung im Zusammenhang mit dem digitalen Nachlass. Es wurde zunächst darüber diskutiert, ob der Testamentsvollstrecker die Pflicht habe, vom Arbeitgeber des Erblassers Fotos herauszuverlangen, die dieser auf seinem Diensthandy gespeichert hatte und ob der Arbeitgeber diese herausgeben müsse. Dabei wurde deutlich, dass nicht alle Rechte vererblich sind und dass stets im Einzelfall zu prüfen ist, ob es sich nicht um höchstpersönliche Rechte des Erblassers handelt. Denn der Testamentsvollstrecker hat immer nur so viel Macht, wie auch der Erbe ohne Anordnung der Testamentsvollstreckung hätte.

Die Diskussion ging sodann noch einmal auf das Facebook-Urteil des BGH ein und Herr Prof. Dr. Dutta gab in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass die großen internationalen Datenkraken nur auf europäischer Ebene zu kontrollieren seien.

Die Diskussionsrunde widmete sich anschließend dem Thema, ob in nächster Zeit Änderungen bei den Formvorschriften für letztwillige Verfügungen zu erwarten sein würden. Derzeit wird bereits auf der Grundlage der jetzigen Rechtslage in Deutschland und der Schweiz darüber diskutiert, ob es für die Verkörperung einer letztwilligen Verfügung ausreicht, „mit einem Finger auf Sand“ seinen letzten Willen zu hinterlassen und davon ein Foto aufzunehmen. In Fortführung dieses Gedankens könnte es dann auch so sein, dass der mit einem Pen auf einem Tabletcomputer festgehaltene Wille und ein Screenshot davon ausreichend sein könnten. Die Referenten kamen in ihrer Diskussion zu dem Schluss, dass sich in den nächsten 20 Jahren wahrscheinlich de lege ferenda einiges parallel zum Fortschritt der Technik verändern werde und das Thema „Digitale Testamente“ die Rechtswelt noch lange beschäftigen würden. Jedenfalls könne man schon jetzt zusätzlich zu einem formgemäßen handschriftlichen Testament die Testierung auf Video aufnehmen. Diese Kombination würde es ermöglichen, nicht nur die Höchstpersönlichkeit zu belegen, sondern würde helfen, auch Rückschlüsse auf die Testierfähigkeit zu geben und könnte als Auslegungshilfe für den letzten Willen dienen.

Thematisiert wurde des Weiteren, dass eine Dauertestamentsvollstreckung ggf. die Rechte der Erben zu sehr beschneide und dass über gerichtliche Kontrollen über deren Dauer nachgedacht werden könne. So sei es etwa in den Niederlanden so, dass die Erben nach fünf Jahren auf gerichtlichen Antrag eine Dauertestamentsvollstreckung beenden könnten. Dies wurde jedoch teilweise kritisch gesehen, da sich viele Nachlassrichter nicht mit dem Spezialthema Testamentsvollstreckung auskennen und daher eine derart schwerwiegende Entscheidung nicht kompetent treffen könnten. Alternativ wird auf das Regulativ des § 2306 BGB verwiesen, nach dem zumindest in Deutschland die Ausschlagung dem Erben die Möglichkeit gibt, einen Pflichtteil zu erlangen und sich der Testamentsvollstreckung zu entziehen. Die Vereinbarung einer Schiedsgerichtsklausel könne ebenfalls dazu beitragen, eine spätere Einigung zwischen Erben und Testamentsvollstrecker zu erwirken und eine dauerhaft unbefriedigende Situation zu beenden.

Herr Prof. Dr. Reimann gab sodann noch einmal eine kurze Zusammenfassung zur Legitimation des Testamentsvollstreckers gegenüber Banken und machte deutlich, dass es eigentlich zu den Schutzpflichten der Banken gehöre, dem Geschäftspartner unnötige Kosten zu ersparen und ein Testamentsvollstreckerzeugnis nur dann zu fordern, wenn sie mit ihrer Eigenprüfung anderer legitimierender Unterlagen überfordert seien. Eine AGB-Klausel, die stets ein Testamentsvollstreckerzeugnis fordere, sei nach der Rechtsprechung unwirksam. Frau Dr. Herzog gab jedoch zu bedenken, dass hier die Gepflogenheiten bei den Banken sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland so seien, dass immer noch ein starker Fokus auf das TVZ sowie den Erbschein gelegt werde. Die Diskussionsrunde stimmte zu, dass die Banken allein durch eine verlangsamte oder gar stagnierende Bearbeitung den Testamentsvollstrecker faktisch zur Vorlage eines TVZ zwingen könnten, auch wenn sie dazu eigentlich kein Recht hätten. Regelmäßig sei daher die Beantragung eines TVZ ratsam. Herr Prof Dr. Reimann empfahl, bei Vermögen in Deutschland, das anerkannte und bekannte deutsche TVZ zu beantragen, weil das Europäische Nachlasszeugnis als neues Instrument in der Praxis noch nicht hinreichend bekannt sei und daher Akzeptanzprobleme auftreten könnten. Nur wenn sich auch im Ausland Nachlassvermögen befände, sei es empfehlenswert, ein ENZ zu beantragen. Dieses müsse jedoch zumeist in die betreffende Landessprache übersetzt werden. Herr Prof. Dr. Künzle stellt für die Schweiz fest, dass diese ebenfalls konservativ das deutsche TVZ bevorzuge.

Zum Abschluss wurde noch über vergangenheits- und zukunftsbezogene Bewertungsmethoden diskutiert und noch einmal erläutert, wann die Discounted-Cashflow-Methode in beiden Ländern ihre Anwendungsgebiete hat.

Zahlreiche Dankeskommentare der Teilnehmer im begleitenden Chatverlauf dokumentierten, dass es für alle ein äußerst interessanter und lehrreicher Tag war und viele interessante Anregungen für die weitere Entwicklung des Testamentsvollstreckerberufes auch über die eigenen Landesgrenzen hinaus gegeben wurden. Auch über die Distanz sind sich die Teilnehmer und Referenten beider Länder wieder einmal ein Stück näher gerückt.

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