9. AGT-Fachtagung Hybrid – Praxisprobleme der Testamentsvollstreckung

Freitag, dem 13. Mai 2022, im Hotel Melchior Park, Würzburg und Online via Liveschaltung

Tagungsbericht von Rechtsanwältin, FAin ErbR, Mediatorin und TVin (AGT) Katharina Weiler

Mit strahlendem Sonnenschein empfing Würzburg die Gäste der 9. AGT-Fachtagung zum Thema „Praxisprobleme der Testamentsvollstreckung“, die hybrid am 13. Mai 2022 im Blauen Saal des Melchior Park Hotels stattfand.

Nach einem kurzen Grußwort des AGT-Vorsitzenden Herrn Rechtsanwalt Eberhard Rott, FA für Erbrecht, FA für Steuerrecht aus Bonn, der nicht nur die rd. 45 Anwesenden, sondern auch über 140 Teilnehmer an den Bildschirmen begrüßte, ging es los mit aktuellen Themen aus der Rechtsprechung.

Den Anfang machte der stellvertretende Vorsitzende der AGT, Herr Rechtsanwalt Norbert Schönleber, FA Miet- und WEG-Recht, aus Köln mit Ausführungen zu einem Urteil des OLG Hamm und den darin aufgestellten Grundsätzen zur Entlassung des Testamentsvollstreckers. Darin wurde besonders gut deutlich, dass das Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht die einzige Voraussetzung für eine Entlassung ist, sondern dass die Gerichte immer noch ihr Ermessen ausüben können, welches durchaus zu einem Verbleiben des Vollstreckers im Amt führen kann. Ohne den Vortrag konkreter Gründe reicht nach der Rechtsprechung allein die Behauptung einer Unfähigkeit sowie die gewachsene Feindseligkeit der Erben für eine Entlassung nicht aus.

Wir lernten sodann von Herrn Rechtsanwalt Rott, dass bayrische Oberlandesgerichte mit ihren Auslegungen immer wieder gern für Überraschungen sorgen und dass gut gestaltete Vergütungsvereinbarungen für Testamentsvollstrecker selbstverständlich sein müssen. Dass deutsche Gerichte tatsächlich noch in Reichsmark rechnen, sorgte zumindest für ein gewisses Erstaunen im Publikum. Ob sich in Zukunft der Begriff der „Tabelle“ tatsächlich aus der Praxis verabschieden kann, wie Herr Rechtanwalt Rott forderte, bleibt abzuwarten.

Nach einer kleinen Pause ging es weiter mit einem interdisziplinären Thema, dem Problemkreis der Testierunfähigkeit. Hier wurden die Experten Herr Dr. med. Markus Fani, Facharzt für Psychiatrie (MVZ Pfalzklinikum) aus Landau sowie Herr Notar Daniel Wassmann aus Kandel vom stellvertretenden Vorsitzenden der AGT, Herrn Steuerberater Peter Hinrich Meier aus Jockgrim in der Pfalz, interviewt.

Sie beleuchteten den Problemkreis nicht nur aus medizinischer und juristischer, sondern auch aus menschlicher Sicht. Gespannt lauschten die Zuschauer, als der „MMST“, ein Test zur Feststellung des Grades einer Demenz sowie die dazugehörigen Diagnosetechniken von Herrn Dr. med. Fani erklärt wurden. Dass die postmortale Feststellung einer Testierunfähigkeit, die für das Amt des Testamentsvollstreckers existenziell werden kann, noch schwieriger ist, wurde allen deutlich. Auf die Schwierigkeit, dass einem Menschen nicht nur aufgrund von Vermutungen die Privatautonomie genommen werden dürfe, wies Herr Steuerberater Peter Meier hin. Herr Notar Daniel Wassmann erläuterte sodann die Vorgehensweise bei der Beurkundung, wenn sich Zweifel aufgrund des Verhaltens des Testierenden auftun.

Interdisziplinär und praktisch wurde es auch beim nächsten Thema, in dem es um Pferde und andere Haustiere im Nachlass ging. Dieses stellte Herr Rechtsanwalt, FA für Insolvenzrecht und Testamentsvollstrecker (AGT) Christian Weiß vor. Er erklärte, dass Tiere eine besondere Herausforderung für den häufig fachfremden Testamentsvollstrecker darstellen. Von ihm lernten wir, dass Pferde oft ein kleines oder auch großes Vermögen wert sein können, welches sich schnell durch falsche Haltung und Fütterung in Luft auflösen kann. Der „Equidenpass“ wird für alle, die dieses Jahr physisch oder virtuell bei der AGT-Fachtagung in Würzburg waren, kein Fremdwort mehr sein. Außerdem werden sie wissen, dass sich vermeintliche Goldfische im Garten des Erblassers bei näherem Hinsehen auch als wertvolle Kois entpuppen können, die es zu verwerten gilt.

Beim Thema Tiere lohnt es sich daher, genauer hinzuschauen und sich fachmännischen Rat – etwa von hauptberuflichen Pferdewirtschaftsmeister:innen – zu holen, um Haftungsfolgen zu vermeiden.

Während des viel zu leckeren Mittagessens gab es endlich wieder die Gelegenheit zu angeregten Unterhaltungen und Fachdiskussionen. Im Anschluss ging es weiter mit dem Thema „Nachlassabwicklung und Banken – Ein gespanntes Verhältnis?“.

Frau Julia Wehlitz, CFEP, Senior-Fachberaterin Generationenmanagement, Private Banking von der Sparkasse KölnBonn sowie Herr Yannick Stehr, Executive Director und Senior Wealth Advisor der Private Bank von J.P.Morgan mit Sitz in Frankfurt erzählten aus der Sicht der „Gegenseite“, warum manche organisatorischen und rechtlichen Zwänge zu den vielfach berichteten Missverständnissen und Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Banken und den Testamentsvollstreckern führen können. Vertieft eingegangen wurde hier besonders auf das Schicksal eines Kontos nach dem Erbfall sowie auf die Frage der trans- und postmortalen Vollmachten, die besonders in der Übergangszeit unmittelbar nach dem Erbfall eine Alternative für die Legitimation des Testamentsvollstreckers darstellen können. Die Moderation führte Vorstandsmitglied Rechtsanwalt Alexander Knauss, FA ErbR, FA BankKapMR aus Bonn. Er berichtete auch selbst von eigenen Erfahrungen mit Banken, die so mancher Zuschauer gewiss auch aus der eigenen praktischen Tätigkeit kennt.

Den Abschlussvortrag hielt AGT- Vorstandsmitglied Rechtsanwalt Prof. Dr. Rainer Lorz, LL.M., live zugeschaltet aus Stuttgart, zum Thema „Amtsbeendigungsvereinbarung vs. Entlassungsverfahren“. Nach einer kurzen Einführung in das zugrunde liegende Konfliktpotenzial erläuterte Herr Prof. Lorz zunächst die Voraussetzungen eines Entlassungsverfahrens gemäß § 2227 BGB. Er wies auch darauf hin, dass es keine einstweilige Beendigung des Testamentsvollstreckeramtes geben könne. Die Beendigungsvereinbarung steht dem Entlassungsverfahren daher als kurzfristig mögliche Alternative gegenüber. Herr Prof. Lorz erklärte den Unterschied zwischen offenen und verdeckten Amtsbeendigungsvereinbarungen und ging ausführlich auf ihre Zulässigkeit ein.

Die Fachtagung entließ die Teilnehmer wieder einmal mit vielen neuen Fachinformationen und Eindrücken. Die Präsenzteilnehmer profitierten darüber hinaus noch ein wenig mehr, denn sie konnten neben dem guten Wetter und den Sehenswürdigkeiten von Würzburg am Anreisetag auch das exklusive Ambiente des Vier-Sterne-Hotels Melchior Park sowie das gute Essen genießen. Dies sorgte allseits für gute Laune und gute Gespräche, die viele bestimmt schon seit längerer Zeit vermisst hatten.