Tagungsbericht – 16. Deutscher Testamentsvollstreckertag 2022

– 25 Jahre AGT –

Tagungsbericht von RAin Katharina Weiler, juristische Redakteurin der AGT.

Das diesjährige Jubiläum „25 Jahre Arbeitsgemeinschaft Testamentsvollstreckung und Vermögenssorge (AGT) e.V. – Von der Idee einer Interessensgemeinschaft zur deutschlandweit führenden Institution für Testamentsvollstrecker“ feierten 290 Teilnehmende in diesem Jahr am 15. November entweder vor Ort in Bonn oder auch virtuell am Bildschirm. Diesen unvergesslichen Tag läutete der Vorstandsvorsitzende der AGT, Rechtsanwalt Eberhard Rott, mit einer allgemeinen Begrüßung sowie der Auszeichnung des 500. Vereinsmitglieds der AGT, Prof. Dr. Maximilian A. Werkmüller, LL.M., ein. Diesem wurde feierlich eine Ehrenurkunde überreicht.

 

Daraufhin begrüßte Vorstandsmitglied Rechtsanwalt Dr. Jan K. Schiffer alle Gäste mit seiner „traditionellen Begrüßungsorgie“ und ging sogleich dazu über, den diesjährigen Preisträger des „AGT-Preises für hervorragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der Testamentsvollstreckung“ auszuzeichnen. Dieser Preis wird von manchen gar als der „Nobelpreis der Testamentsvollstreckung“ bezeichnet[1] und bildet seit 2011 einen der Höhepunkte des Symposiums.

In diesem Jahr wurde mit ihm Prof. Dr. Ludwig Kroiß geehrt, den jeder als Mitherausgeber des Nomos-BGB-Kommentars Erbrecht kennen dürfte. Aus dem Privatleben von Herrn Prof. Dr. Kroiß haben wir bei dieser Gelegenheit erfahren, dass er nicht nur passionierter Skifahrer ist, sondern auch ein Herz für Tiere hat.
Lesen Sie hier die Laudatio.

Den ersten Themenblock übernahm Prof. Dr. Anatol Dutta, M. Jur. (Oxford) von der Universität München mit dem Thema „Aktuelles aus dem Recht der Testamentsvollstreckung“. Nach einem kurzen Überblick über aktuelle Gesetzesreformen, etwa im Betreuungsrecht, Personengesellschaftsrecht sowie im Stiftungsrecht, widmete sich Prof. Dr. Dutta zunächst der Rechtsprechung in Deutschland, bei der unter anderem etwa Kniffe aus der notariellen Praxis, Sonderfragen des Grundbuchrechts, der Vorerbenvollstreckung, Fragen der Vergütung und der Entlassung des Testamentsvollstreckers oder auch das Verhältnis der Testamentsvollstreckung zu anderen Rechtsinstituten wie etwa der postmortalen Vollmacht eine Rolle spielten.

Nach einer kurzen Pause, die alle Anwesenden für Diskussionen und für eine kleine Stärkung nutzten, setzte Prof. Dr. Dutta seinen Vortrag mit einem Blick ins Ausland fort. Hier lernten wir, dass die deutsche Ausgestaltung der Testamentsvollstreckung insbesondere in Bezug auf die Dauertestamentsvollstreckung in Europa eine Sonderstellung einnimmt und dass in anderen Ländern die Vollstrecker entweder nicht mit den gleichen Befugnissen ausgestattet sind oder wie etwa in Österreich oder Belgien sogar nur als Bevollmächtigte angesehen werden. Viele spannende Sonderkonstellationen rundeten den kurzweiligen Vortrag ab.

Den nächsten Themenblock übernahm RAin Sylvia A. Jacob, B.A. LLB., Barrister and Solicitor aus München mit dem Vortrag „Deutsches Testament mit Vermögen in Kanada – Rechtliche Aspekte für deutsche Testamentsvollstrecker“. Frau Jacob ist Spezialistin für deutsch-kanadische Erbfälle und führte die Teilnehmenden in das komplizierte und uneinheitliche Recht dieses großen „Landes der Migranten und Individualisten“ ein. Wir lernten nicht nur, dass in Kanada jede Provinz ein eigenes Zivilprozessrecht hat, sondern auch, dass in einigen Teilen Konzepte des Common Law und in anderen (etwa Québec) der Einfluss europäischer Rechtsordnungen vorherrschend sind. Besonders interessant war die Information, dass in Kanada immer zwingend ein entweder testamentarisch oder von den Erben bestimmter „Nachlassabwickler“ eingesetzt werden muss. Eine Art Testamentsvollstreckung ist also nicht wie in Deutschland ein Sonder-, sondern vielmehr der Regelfall. Die Aufgaben ähneln der Abwicklungstestamentsvollstreckung und bestehen etwa darin, alle Nachlassgegenstände in Besitz zu nehmen, zu verwerten, Schulden zu begleichen und sodann den verbliebenen Nachlass an die Erben und Vermächtnisnehmer zu verteilen.

Neben der Vorstellung zahlreicher Praxisfälle machte Frau Rechtsanwältin Jacob deutlich, dass den Berater in Kanada nicht nur ein formalisiertes Nachlassverfahren erwartet, welches etwa die Bestellung des Abwicklers über ein spezielles Formular beinhaltet, sondern dass auch Besonderheiten des materiellen Rechts zu beachten sind. So akzeptiert das kanadische Recht beispielsweise einige altbewährte deutsche Testierformen (z.B. das notarielle Testament, den Erbvertrag oder auch das Berliner Testament) aufgrund ihrer Form nicht. In Fällen mit Auslandsbezug nach Kanada empfiehlt es sich folglich, mit einem Experten für das dortige Recht zusammenzuarbeiten.

In der Mittagspause wurde vor Ort wie immer mit einem großen Buffet für das leibliche Wohl der Gäste gesorgt und es war Zeit für längere Gespräche sowie den Besuch der Stände zahlreicher Aussteller im Foyer. Den Zuschauenden vor den Bildschirmen wurde hingegen ein Sportprogramm eines speziell engagierten Fitnesstrainers angeboten.

Nach der Pause berichtete Vorstandsmitglied und 2. stellvertretender Vorsitzender StB Peter Meier aus den AGT-Workshops, in denen verteilt über das Jahr ein Austausch der Testamentsvollstrecker zu verschiedenen Themen stattfindet. In 2022 gehörten unter anderem die Auswirkungen der Inflation auf die Anlageentscheidungen, Fragen der Vergütung sowie Blackbox-Fälle und speziell auch Tiere im Nachlass zu den diskutierten Schwerpunkten.

Herr Rechtsanwalt Dr. Schiffer fasst sodann knapp den Stand des AGT-Vergütungsprojekts zusammen und rief alle Teilnehmenden dazu auf, der AGT besondere Fälle mitzuteilen und damit die Diskussion voranzutreiben. Anhand eines durch das Publikum inspirierten Extremfalls, bei dem ein Nachlass im Wert von 1 Milliarde, der nicht nur Unternehmensbeteiligungen, Rennpferde und 150 einzelne Eigentumswohnungen umfasste, warf Herr Rechtsanwalt Schiffer die Frage auf, wie eine „auskömmliche“ Vergütung in einem solchen Fall aussehen könnte. Im Saal entbrannte daraufhin eine heiße Debatte.

Im Anschluss folgte ein Vortrag zum Thema „Steuerrecht: Der Tod und die Steuern kennen keine Grenzen. Internationale Steuerthemen bei der Testamentsvollstreckung“ von RAin Dr. Almut Breuer, die in den Niederlanden als Rechtsanwältin mit eigener Kanzlei mit dem Schwerpunkt Steuerrecht tätig ist. Auf erfrischend unterhaltsame und lockere Weise brachte sie allen Teilnehmenden nicht nur das komplizierte Thema der internationalen Besteuerung von Erbfällen etwas näher, sondern auch niederländische Fachbegriffe und zugleich Zungenbrecher wie „Tweetrapsmaking“ oder “bedrijfsopvolgingsfaciliteit“ bei. Wir lernten auch, dass im niederländischen Steuerrecht Lebenspartner nicht unbedingt verheiratet sein müssen und was es mit der Edelweiß-Route auf sich hat. Viele Praxisbeispiele ermöglichten einen fast spielerischen Zugang zu dieser oft gefürchteten Materie.

Den abschließenden Vortrag hielt der Dipl.-Psychologe Rüdiger Maas, Generationenforscher und SPIEGEL Bestseller-Autor, der unserer Testamentsvollstreckergemeinschaft mit der Frage „Wieso tickt die nächste Generation der Erben anders“ einen Blick über den fachlichen Tellerrand ermöglichte. Wir lernten, dass bereits Aristoteles die Jugend für „unerträglich, unverantwortlich und als entsetzlich anzusehen“ hielt. Herr Maas stellte dann kurz die Generationen seit 1935 und deren populärwissenschaftliche Bezeichnungen als „Baby Boomer“ oder die „Generationen X, Y, Z und Alpha“ vor. Kurz und prägnant ging er auf die Charakteristiken jeder Generation ein, sodass jeder sich selbst, seine Eltern, Großeltern und auch die Jugend von heute wiedererkennen konnte. Die zwischen 1995 und 2010 geborene Generation Z, unsere jetzigen Jugendlichen und Berufsstarter seien nach der Darstellung von Herrn Maas besonders geprägt durch die 99-prozentige Handydeckung in dieser Altersgruppe; sie engagierten sich zwar selten in politischen Parteien, hätten aber eine gendernde und vegane Lebenseinstellung; ihre Unentschlossenheit zeigten sie bei wichtigen Lebensentscheidungen aufgrund der sich ihnen bietenden unzähligen Möglichkeiten und ihre überfürsorglichen Helikopter-Eltern trügen nicht gerade zu einer größeren Selbständigkeit dieser Generation bei.

Besondere Aha-Erlebnisse im Publikum erzielte Herr Maas mit seinen Erzählungen von heutigen Eltern, die statt der eigentlich eingeschriebenen Studenten an der Uni zu Vorlesungen gingen, um dann gemeinsam mit dem beinahe erwachsenen Zögling zu lernen. Wer eigene Kinder hat, musste bei vielen seiner Anekdoten über sich selbst und über die eigenen Nachkommen schmunzeln und nahm sich eventuell auch heimlich vor, in Zukunft etwas an der Erziehung seiner Kinder zu ändern. Als Tipp gab der Psychologe allen mit, selbstkritisch auch das eigene Handy ab und zu wegzulegen und den Kindern ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken. Wer hingegen keine eigenen Kinder hat, konzentrierte sich noch intensiver auf die fachlichen Aspekte des Vortrags, der wertvolle Hinweise für den Umgang mit Mandanten enthielt und manchen sogar Anregungen für die Entwicklung neuer Geschäftsfelder gab.

Diesen spannenden Jubiläumstag voller Highlights ließen viele im Anschluss an die Fachvorträge noch beim anschließenden Sektempfang mit angeregten Diskussionen ausklingen und freuten sich auf die im Jahr 2023 geplanten Veranstaltungen.

››› Hier geht es zur Bildergalerie!

Bitte vormerken! Termin für den 17. Deutschen Testamentsvollstreckertag: 21.11.2023

———–

[1] So bezeichnete Herr Prof. Dr. Dutta die Auszeichnung, als er Herrn Prof. Kroiß beglückwünschte.