6. AGT-Spezialtagung 2023 HYBRID
„Testamentsvollstreckung und Stiftung“

Tagungsbericht von Alma Böttger und Felix Leven

Vorstände und Referentenv.re.: RAin Dr. Luise Hauschild, RA Eberhard Rott, RA Norbert Schönleber, RA Matthias Pruns, RA Axel Janitzki. Marcus Buschka

 

Am 1. Juli 2023 tritt das neue Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts in Kraft (BGBl. I 2021, S. 2947; BT-Drs. 19/28173; siehe hier). Nach umfangreichen Vorarbeiten und nicht weniger Kritik hatte der Bundestag die Reform im Sommer 2021 beschlossen. Vor diesem aktuellen Hintergrund kamen am 3. März 2023 rund 170 interessierte Teilnehmende im Lindner Hotel City Plaza in Köln und online an den Bildschirmen zur sechsten Spezialtagung der Arbeitsgemeinschaft Testamentsvollstreckung und Vermögenssorge e.V. in hybrider Form zusammen, um sich unter dem Thema „Testamentsvollstreckung und Stiftung“ über Rechts- und Praxisprobleme vor und nach dieser lang erwarteten Stiftungsrechtsreform auszutauschen. Eine gute Gelegenheit dazu bot die Komposition aus sechs Fachvorträgen mit anschließender Podiumsdiskussion. Während am Vormittag schwerpunktmäßig das Reformgesetz zum Stiftungsrecht behandelt wurde, das einerseits auf Bedenken traf, andererseits jedoch auch Fürsprache fand, lag der Fokus am Nachmittag spezifisch auf der Analyse des Verhältnisses von Testamentsvollstreckung und Stiftung. Die Tagung beleuchtete damit insbesondere – unter Heranziehung vielfältiger Beispiele aus der Praxis – das rechtliche Zusammenspiel dieser beiden Institute.

Nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden der AGT, Rechtsanwalt Eberhard Rott, gab Rechtsanwalt Matthias Pruns zu Beginn der Veranstaltung einen Überblick über das Programm des Tages und führte sodann unter der Frage „Was ist eigentlich eine Stiftung? – Einführung und Überblick zur Stiftung und zur Reform des Stiftungsrechts“ in das Recht der Stiftung und das Thema der Tagung ein. In anschaulicher Weise wurden hierbei zum einen sowohl dem fachkundigen Publikum als auch „Stiftungsneulingen“ die wesentlichen Rechtsquellen, die Grundstrukturen der Stiftungen in ihren verschiedenen Arten und die unterschiedlichen verwendeten Begriffe vergegenwärtigt, zum anderen aber auch bereits ein erster Blick auf die Stiftungsrechtsreform geworfen. Dabei schilderte Pruns auch die Entwicklung der Stiftungspraxis nach der letzten Stiftungsrechtsreform im Jahr 2002 und den damit einhergehenden Stiftungsboom, der vor allem einen Zuwachs an Stiftungen mit kleinem Vermögen nach sich zog. Unter Anführung eines praktischen Falls knüpfte er zudem sogleich die Verbindung von Testamentsvollstreckung und Stiftung. Damit war die Grundlage für die weiteren Vorträge und Diskussionen geschaffen.

Ausgehend von dieser Einführung wendete sich Professor Dr. Ulrich Burgard als nächster Redner den Neuregelungen zum 1 Juli zu. In seinem detailreichen Vortrag „Die Reform des Stiftungsrechts – Ein Überblick aus der Sicht der Testamentsvollstreckung“ warnte er eindringlich vor vielerlei Problemen, zu denen die neuen Vorschriften aus seiner Sicht führen würden, wenngleich es auch begrüßenswerte Aspekte an der Reform gäbe. So sei es zwar positiv zu bewerten, dass der Grundsatz der Satzungsstrenge und der zwingende Charakter des Referentenentwurfs nicht übernommen wurden, sodass das Stiftungsrecht auch nach der Reform weiterhin umfassende Gestaltungsfreiheit zulasse. Nur mit Vorsicht heranzuziehen sei dagegen die Gesetzesbegründung, die hinter dem Stand des beschlossenen Gesetzes zurückbliebe. Durch die weiterhin unterschiedlichen Aufsichtsrechte bestünde außerdem die Gefahr der divergierenden Anwendung des Stiftungszivilrechts. Dadurch könnte wiederum das Vereinheitlichungsziel der Stiftungsrechtsreform bedroht sein. In seinem Vortrag spannte Burgard einen weiten Bogen von der Errichtung der Stiftung über Satzungsänderungen und die Vermögensverwaltung bis hin zur Auflösung der Stiftung und bezog dabei insbesondere die Berührungspunkte von Stiftung und Testamentsvollstreckung mit ein. Im Ergebnis sei das reformierte Recht, obwohl nicht revolutionär neu, so doch viel schwerer zu handhaben. Mit Blick auf die Evaluation der Reform in zwei Jahren gelte es deshalb, insbesondere gegenüber den Stiftungsbehörden auf die Probleme hinzuweisen.

Mit der Stiftungsgründung nach der Reform beschäftigte sich im nachfolgenden Fachvortrag „Alles auf Anfang?“ Rechtsanwalt und Notar a.D. Axel Janitzki. Er legte dabei den Fokus auf die Beratung und diskutierte verschiedenste Aspekte, insbesondere die Wahl der Stiftung als Rechtsform, den Stiftungszweck als „Herzstück der Stiftung“ und die Zulässigkeit von Satzungs- und Zweckänderungen, aber auch die Ausstattung der Stiftung mit dem notwendigen Vermögen und Haftungsfragen. Für den Berater gelte es, die Begeisterung des Stifters einzufangen. Gleichzeitig müsse bei der Formulierung des Stiftungsgeschäfts mit besonderer Sorgfalt gearbeitet werden. Insgesamt fiel seine Bewertung der Reform positiver aus als die seines Vorredners: Die Gestaltung in der Praxis sei machbar und Gespräche mit den Stiftungsbehörden möglich. Die Stiftungsberatung wiederum sei „einfach spannend“.

Unter dem provokanten Titel „Wo kein Kläger, da kein Richter: Wie Testamentsvollstrecker Stiftungen kapern können – ein Bericht aus der anwaltlichen Praxis“ leitete RA Eberhard Rott sodann am Nachmittag die vertiefte Analyse des Zusammenspiels von Testamentsvollstreckung und Stiftung ein. In einem spannenden Referat zeigte er das hierbei bestehende Potential für Rechtsmissbrauch und begab sich auf Ursachenforschung. Rott regte dazu an, sich insbesondere eingehender mit Konstellationen missbräuchlicher anwaltlicher Gestaltung zu beschäftigen, damit entsprechende Lösungsansätze zur Risikoverminderung entwickelt werden könnten. Die von ihm geschilderten Praxisbeispiele ließen bei den Teilnehmenden die Frage nach der rechtlichen Handhabe solcher Fälle aufkommen, in denen sich Beratende, vergleichbar mit Fällen der Erbschleicherei, unangemessen bereicherten. Als mögliche Verhinderungsstrategien appellierte Rott zum einen an potentielle Erblasser und Berater von sich aus durch richtige Gestaltung eine Ämtertrennung und sachgerechte Kontrolle zu bewirken, zum anderen müsse es aber auch zu einer Sensibilisierung der Justiz und der Öffentlichkeit kommen.

Rechtsanwältin Dr. Luise Hauschild legte als nächste Rednerin zunächst das Fundament ihres Vortrags, indem sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede sowie die vielfältigen Berührungspunkte von Testamentsvollstreckung und Stiftung erarbeitete und potentielle Konfliktparteien vorstellte. Neben den möglichen rechtlichen Problemen beleuchtete sie dabei auch die praktische Bedeutung persönlicher Konflikte zwischen Testamentsvollstreckern und Stiftungen. Ausgehend davon entwickelte Hauschild „Ansätze zur Lösung von Berührungs- und Konfliktpunkten zwischen Stiftung und Testamentsvollstreckung“ und fokussierte dabei den Umgang mit drei typischen Konfliktszenarien: Die Errichtung der Stiftung von Todes wegen durch den Testamentsvollstrecker, die Dauertestamentsvollstreckung über Stiftungsvermögen und Kompetenzüberschneidungen bei unselbstständigen Stiftungen. Insbesondere erspare auch hier die sorgfältige vorsorgende Gestaltung Probleme. Durch (Testaments-)Auslegung seien aber vielfach auch Möglichkeiten zur Konfliktlösung in der Abwicklung gegeben.

Unter der Fragestellung „Der Testamentsvollstrecker als Freund oder Feind der Stiftung?“ schilderte Marcus Buschka abschließend, wie sich die Zusammenarbeit mit Testamentsvollstreckern bei seiner Arbeit als Vorstand der HASPA Hamburg Stiftung gestalte und gewährte außerdem spannende Einblicke in die vielfältige Arbeit einer Dachstiftung. Seine persönliche Erfahrung sei vornehmlich geprägt von kollegialer Zusammenarbeit zwischen Testamentsvollstreckern und Stiftungen.

Nachdem den Teilnehmenden die Möglichkeit geboten wurde, die aufschlussreichen Vorträge Revue passieren zu lassen, verschaffte ihnen die Podiumsdiskussion im Anschluss Gelegenheit zum regen Austausch ihrer Gedanken. Dabei kamen vielfältige Themen zur Sprache: Zunächst widmeten sich die Vortragenden etwa der oft bemühten Assoziation der Stiftung mit „Steuersparprodukten“. Es herrschte jedoch Einigkeit, dass es aus Beraterperspektive problematisch sei, die Stiftung als Steuersparmodell anzupreisen. Zudem ginge es – dies wurde hervorgehoben – nicht um die Stiftung als „Produkt“, sondern jeweils um ein individuelles Projekt eines jeden Stifters; entsprechend bestünden Beratungsbedarfe. Differenziert wurde sodann die Zusammenarbeit mit den Stiftungsbehörden und Finanzämtern bewertet, wobei die Ursache der teils gegensätzlichen Erfahrungen wohl auch in den unterschiedlichen Standorten liegen könnte. Die Stiftungsrechtsreform wiederum könne letztlich als „mixed bag“, bezeichnet werden: die Streitfragen wären nun nicht weniger, sie hätten sich aber verlagert.

Über die Erwartungen der Stiftungspraktiker an die Testamentsvollstrecker erfuhr das Publikum aus der Diskussion, dass vor allem Transparenz Hand in Hand gehe mit klarer Kommunikation sowie schneller Weitergabe eindeutiger Informationen. Das alles bilde das Fundament für eine gute Zusammenarbeit. Und schließlich sei eine gute Zusammenarbeit zwischen Testamentsvollstreckern und Stiftungen essentiell, um sich gegenseitig in die Lage zu versetzen, richtige Entscheidungen treffen zu können.

Als Thema mit großer Relevanz für alle Stiftungsinteressierten wurden zuletzt Schwierigkeiten beim Recruiting für Stiftungen angesprochen. Um die Attraktivität von Stiftungsämtern zu erhöhen wurden etwa ein Anspruch auf eine D&O-Versicherung sowie ggf. Haftungserleichterungen vorgeschlagen, jedoch wurde hier auch auf die Missbrauchsgefahren hingewiesen.

Mit dieser Podiumsdiskussion gelang den Organisatoren im Anschluss an informative und kurzweilige Vorträge der krönende Abschluss der sechsten AGT-Spezialtagung.