7. AGT-Spezialtagung 2024 HYBRID
Testamentsvollstreckung im Unternehmensbereich

Beitrag von Rechtsanwältin Katharina Weiler, Fachanwältin ErbR, Mediatorin, Testamentsvollstreckerin (AGT) weiler.legal, Linz

Als erstes Highlight des Jahres veranstaltete die AGT am 1. März 2024 in Stuttgart ihre 7. Spezialtagung zum Thema „Testamentsvollstreckung im Unternehmensbereich“. Die Hybrid-Veranstaltung zog rund 200 Fachleute aus ganz Deutschland an, darunter etwa 60 Teilnehmer vor Ort und 140 online.

Der Auftakt und die nachfolgende Moderation lag bei Herrn Rechtsanwalt Eberhard Rott (unten rechts), Fachanwalt für Erbrecht, Testamentsvollstrecker und Vorstandsvorsitzender der AGT aus Bonn, mit einer kurzen, aber prägnanten Einführungsrede, in der er auf die große Bedeutung der Testamentsvollstreckung für die Unternehmensnachfolge abhob, aber auch auf die damit verbundenen Haftungsgefahren.

So lag es nahe, dass die finanzielle Absicherung gegen Haftungsrisiken gleich Thema des ersten Vortrages war. Herr Dr. Karl Bialek (unten links), Senior Expert Underwriting VH, HDI Versicherung AG, Hannover,  referierte zum Thema „Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung – Vorsorge und Schutz vor persönlichen Haftungsrisiken des Testamentsvollstreckers“. Er betonte, dass dieses Thema selbst für diejenigen von Bedeutung sei, die von sich behaupten, dass sie alles könnten. Die Zuschauer schmunzelten zwar darüber, aber sie hörten auch gebannt zu, als Herr Dr. Bialek erklärte, welche Risiken der Testamentsvollstreckung in welchem Umfang abgedeckt seien, welches Verhalten im Schadensfall richtig sei und wie man die richtige Police finden, abschließen oder auch wieder beenden könne. Durch praktische Beispiele verdeutlichte er, wie eine geeignete Versicherung sowohl vor persönlichen Haftungsrisiken schützen als auch im Schadensfall unterstützen kann. Diskutiert wurde zudem die Frage nach der Bedeutung des Testamentsvollstreckerzeugnisses sowie der richtigen Versicherungssumme. Wie immer sei für einen passgenauen Vertrag der Blick auf den Einzelfall entscheidend. Insbesondere bei vollstreckungsbegleitenden Vollmachten solle man genauer hinschauen, ob auch das Handeln auf dieser Grundlage vom eigenen Vertrag umfasst sei. Außerdem lernten die Teilnehmer, dass eine gute Kommunikation mit dem Versicherer viele Probleme umschiffen kann, auch wenn so mancher sich dabei wie in einem Beichtstuhl fühlen mag. Herr Dr. Bialek betonte, dass dies ein rein subjektiver Eindruck sei, denn die Versicherung stehe grundsätzlich auf Seiten des Versicherungsnehmers und habe ein Interesse daran, diesen zu unterstützen. Im Falle eines Rechtsstreits solle man daher nicht an einem guten Rechtsanwalt sparen, denn er gab zu bedenken: „The man who defends himself has a fool for an attorney!“.

Herrn Dr. Bialek gelang mit dem ersten Vortrag eine auf den Punkt gebrachte und knackige Darstellung der praktischen Wichtigkeit einer korrekten Absicherung des testamentsvollstreckungsrechtlichen Haftungsrisikos.

Sodann übergab Herr Rott das Wort an Frau Rechtsanwältin Dr. Andrea Tiedemann (oben Mitte), Fachanwältin für Erbrecht und zertifizierte Testamentsvollstreckerin (AGT) bei Brödermann Jahn Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hamburg. Diese referierte zum Thema „Unternehmensverkauf durch den Testamentsvollstrecker“. In ihrem Vortrag erläuterte sie die erbrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Grundlagen bei einem Verkauf eines Unternehmens aus dem Nachlass sowie Besonderheiten der praktischen Durchführung dieses Verkaufs durch einen Testamentsvollstrecker. Begriffe wie z.B. „share deal“ oder „asset deal“, die Frau Dr. Tiedemann ausführlich erklärte, waren den Teilnehmern danach nicht mehr fremd. Die Teilnehmer lernten zudem, welche Aufgaben ein M&A-Berater habe, warum im Bereich der Testamentsvollstreckung ein Informationsmemorandum und eine Verkäufer-Due-Diligence unerlässlich seien und wie man den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung sowie das erbrechtliche Verkaufsverbot durch Representations (Reps) & Warranties wahren kann. Angesprochen wurde auch die richtige Preisgestaltung und wie man den richtigen Käufer für „sein“ Unternehmen finden könne. Der Vortrag unterstrich die zunehmende Relevanz des Themas für die jetzige Generation des Mittelstandes, die sich in den nächsten Jahren vermehrt mit der Planung ihrer Unternehmensnachfolge befassen muss. Einen besonderen Fokus legte Frau Dr. Tiedemann deshalb auch auf die Phase der Nachfolgeplanung und erläuterte, dass durch passende testamentarische Anordnungen des Erblassers bereits früh die Entscheidung des Testamentsvollstreckers für einen Verkauf sowie dessen Durchführung vorbereitet werden könne. Auch auf die Besonderheiten verschiedener Unternehmensformen und die Bedeutung der jeweiligen gesellschaftsvertraglichen Grundlagen ging Frau Dr. Tiedemann umfassend ein. Darüber hinaus wurden Hinweise auf relevante steuerliche Aspekte sowie auf die richtigen Strategien zur Vermeidung von Haftungsfallen gegeben.

Den mittleren Teil der Veranstaltung übernahm Herr Rechtsanwalt Dr. Julian Klinger (oben rechts), Flick Gocke Schaumburg, München, der sich dankenswerter Weise kurzfristig dazu bereit erklärt hatte, für eine Kollegin zusätzlich mit einem zweiten Vortrag einzuspringen. Herr Rechtsanwalt Dr. Klinger referierte zunächst zum Thema „(Dauer-) Testamentsvollstreckung über GmbH-Beteiligungen“. In diesem Vortrag stellte er die rechtlichen Grundlagen für eine erbrechtliche Übertragung derartiger Beteiligungen dar. Dabei ging er auf die Sondererbfolge im Gesellschaftsrecht sowie auf Besonderheiten der verschiedenen möglichen Nachfolgeklauseln ein und widmete sich dann den unterschiedlichen Facetten der Testamentsvollstreckung. Angesprochen wurden insbesondere die erbrechtlichen und gesellschaftsvertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf den Umfang der Rechtsmacht des Testamentsvollstreckers. Die Teilnehmer lernten zudem, welche Besonderheiten im Rahmen der Abwicklung sowie im Rahmen der Dauertestamentsvollstreckung zu beachten sind, welche Stimm- und Informationsrechte sowie weiteren Beteiligungsrechte der Testamentsvollstrecker hat, ob die Kernbereichslehre auch auf das Verhältnis des Testamentsvollstreckers zu den Erben anzuwenden ist und auch, was man unter einer Poolbeteiligung versteht. Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der Unternehmensstrukturierung unter Berücksichtigung der Dauertestamentsvollstreckung, wobei insbesondere die Möglichkeiten eines qualifizierten Anteilstausches und die damit verbundenen gesellschafts- und erbrechtlichen Beschränkungen erörtert wurden.

Nach der Mittagspause setzte Herr Dr. Klinger die Tagung mit dem Thema „Testamentsvollstreckung als Gestaltungsmittel der steueroptimierten Unternehmensnachfolge“ fort. Herr Dr. Klinger legte nach einer kurzen Darstellung der Unterschiede zwischen Erblassersteuern, Erbfallsteuern und Erbensteuern dar, wie die Kombination der Testamentsvollstreckung mit anderen erbrechtlichen und steuerlichen Instrumenten es Erblassern sogar ermöglicht, unter Umständen sogar noch postmortal Einfluss auf die Erbschaftsteuer zu nehmen. Durch spezielle Gestaltungen wie den Investitionsplan nach § 13b Abs. 5 ErbStG, eine Stiftung von Todes wegen und durch Vermächtnisse kann dies im Einzelfall gelingen, obwohl es sich bei der Erbschaftsteuer um eine Stichtagsteuer handelt. Besonders die Konstruktion des sog. Supervermächtnisses stieß im Zuhörerkreis auf großes Interesse.

Beide Vorträge von Herrn Dr. Klinger verdeutlichten die rechtlichen und steuerlichen Herausforderungen, die bei der Testamentsvollstreckung im Kontext der Unternehmensnachfolge zu bewältigen sind. Sie ergänzten sich thematisch und boten den Teilnehmern dadurch einen umfassenden Einblick in die rechtlichen Rahmenbedingungen und steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten bei einer Testamentsvollstreckung über Unternehmen.

Frau Notarin Dr. Irene Kämper (oben links) aus Grevenbroich-Wevelinghoven thematisierte im Anschluss die„(Dauer-)Testamentsvollstreckung an Personengesellschaftsanteilen“. Sie ging auf die spezifischen Herausforderungen ein, die sich aus der Schnittstelle zwischen dem Erb- und dem Gesellschaftsrecht ergeben, wenn Personengesellschaftsanteile auf die Erben übertragen werden sollen. Frau Dr. Kämper diskutierte verschiedene Szenarien einer solchen Übertragung und unterstrich die Bedeutung des Instruments der Dauervollstreckung im Falle minderjähriger oder betreuter Erben. Sie besprach zudem die Problematik, die sich aus der Kollision von personengesellschaftsrechtlichen Prinzipien mit der Testamentsvollstreckung ergeben kann, wie etwa die unzulässige Mitwirkung Dritter in der Gesellschaft oder divergierende Haftungsregelungen.

Eindrucksvoll machte Frau Dr. Kämper deutlich, dass unsere Rechtsordnung nur Hilfslösungen für die Dauertestamentsvollstreckung an Personengesellschaften bereithält. Sie erklärte die Unterschiede zwischen der Vollmachts-, Treuhand- und Weisungsgeberlösung und ging auf die jeweiligen Vor- und Nachteile dieser (Not-)Lösungen ein. Weiterhin wies sie auf die Wichtigkeit einer frühzeitigen und umfassenden Planung der Unternehmensnachfolge sowie die notwendige Abstimmung der Gesellschaftsverträge und der letztwilligen Verfügungen hin, da nur so ein nahtloser und rechtlich abgesicherter Übergang eines Unternehmens in die nächste Generation gewährleistet werden könne. Dabei sei es häufig Aufgabe des Gestalters, dem Testierenden zu erklären, dass er nicht jedes Detail mit der „Hand aus dem Grab heraus“ regeln könne, sondern manchmal eben doch der Erziehung der eigenen Kinder und seiner eigenen Auswahl eines zuverlässigen Testamentsvollstreckers vertrauen müsse.

Herr Rechtsanwalt Prof. Dr. Rainer Lorz LL.M. (oben Mitte), AGT-Vorstandsmitglied, Hennerkes, Kirchdörfer & Lorz, Stuttgart, befasste sich mit seinem Fachvortrag mit dem Thema „Spezialfragen und Gestaltungshinweise für die Testamentsvollstreckung über Gesellschaftsbeteiligungen insbesondere nach Inkrafttreten des MoPeG“. Herr Prof. Dr. Lorz stellte fest, dass das MoPeG keine nachteiligen Auswirkungen auf die Anordnung der Testamentsvollstreckung an einem Anteil eines unbeschränkt haftenden Gesellschafters habe.  Dennoch wies er auf die verschiedenen signifikanten Änderungen der neuen gesetzlichen Regelungen hin. So wird mit dem MoPeG unter anderem die Fortsetzung der Gesellschaft im Erbfall nun auch bei der GbR zum gesetzlichen Regelfall (§ 723 Abs. 1 Nr. 1 BGB), was eine Anpassung an die bisherige Regelung für andere Personengesellschaften darstellt. Zudem normiert das MoPeG jetzt ausdrücklich den Grundsatz der Sondererbfolge (§ 711 Abs. 2 BGB), was zu mehr Rechtssicherheit führt. Herr Prof. Dr. Lorz ging außerdem auf das Austrittsrecht des Gesellschafter-Erben ein und erläuterte den neuen § 724 Abs. 1 BGB, der die Umwandlung der Gesellschafterstellung in einen Kommanditanteil und damit eine neue Möglichkeit der Haftungsbegrenzung für den Erben eröffnet. Auch das neue eingeführte GbR-Register stellte Herr Prof. Dr. Lorz vor. Zudem erörterte er Einschränkungen des Verwaltungsrechts des Vollstreckers bei vollhaftenden Beteiligungen, den Grundsatz der Einheitlichkeit des Personengesellschaftsanteils und Umwandlungsbefugnisse des Testamentsvollstreckers, einschließlich der Umwandlungsklauseln. Darüber hinaus behandelte er Bewertungsfragen im Rahmen der Testamentsvollstreckung, die Relevanz des Transparenzregisters für die Unternehmensnachfolge und die Fragestellung, ob der Testamentsvollstrecker als wirtschaftlich Berechtigter anzusehen ist. Herr Prof. Dr. Lorz legte dar, dass in bestimmten Konstellationen, insbesondere bei Dauertestamentsvollstreckungen, der Testamentsvollstrecker durchaus als wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des GwG gelten kann. Wertvolle praktische Hinweise zu den Anwendungsfeldern der geänderten Rechtslage rundeten seinen Vortrag ab.

Reihenfolge der Referenten im Bild oben rechts, v. links: Dr. Julian Klinger, Dr. Andrea Tiedemann, Dr. Karl Bialek, Dr. Irene Kämper, Prof. Dr. Rainer Lorz

Den Abschluss dieses spannenden Tages bildete eine lebhafte Podiumsdiskussion, in der die Referenten Fragen aus dem Teilnehmerkreis beantworteten. Die Diskussion drehte sich um praktische Herausforderungen bei der Testamentsvollstreckung in Unternehmen, also unter anderem um die Sicherstellung des Erblasserwillens, die Bewertung und Übertragung von Unternehmensanteilen, Fragen der Vergütung, die souveräne Handhabung von Konflikten zwischen Erben und Testamentsvollstreckern und um Probleme des Versicherungsrechts.

Reihenfolge am Vorstands- und Referententisch während der Podiumsdiskussion, v. links: Dr. Julian Klinger, Prof. Dr. Rainer Lorz, RA Eberhard Rott, Dr. Andrea Tiedemann, StB Peter H. Meier, Dr. Karl Bialek, StB Thomas Terhaag, RA Alexander Knauss

Großes Lob aus dem Kreis der Teilnehmer vor Ort und begeisterte Kommentare im Chat bescheinigten, dass es sich um eine besondere und rundum gelungene Veranstaltung zu diesem wichtigen Thema handelte. Mit ihren interessanten Fachvorträgen bot die diesjährige Spezialtagung nicht nur dogmatische und praktische Grundlagen für eine Spezialisierung im Bereich der Unternehmensnachfolge, sondern sie ermöglichte auch interaktive Diskussionen und damit einen gewinnbringenden Austausch über Testamentsvollstreckungen im Unternehmensbereich.

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