Tagungsbericht zur 11. Fachtagung der AGT in Potsdam

Beitrag von Rechtsanwältin Katharina Weiler, Fachanwältin für Erbrecht, Mediatorin, Testamentsvollstreckerin (AGT), weiler.legal – Fachkanzlei für Erbrecht, Linz am Rhein

Am 7. Juni 2024 fand in Potsdam die 11. Fachtagung der Arbeitsgemeinschaft Testamentsvollstreckung und Vermögenssorge (AGT) e.V. statt. Neben tiefgehenden Einblicken in die neuesten Herausforderungen und innovativen Ansätze der Testamentsvollstreckung – von rechtlichen Entwicklungen und Prozessfinanzierung über den Einsatz spezialisierter Helfer bis hin zu technologischen Fortschritten und digitaler Nachlassverwaltung – bot die Tagung die ideale Gelegenheit für einen intensiven Austausch über praxisnahe und auch für unkonventionelle Lösungen. Die Tagung wurde als Hybridveranstaltung durchgeführt und begrüßte insgesamt über 140 Teilnehmer vor Ort und vor dem Bildschirm.

Wie gewohnt eröffnete Rechtsanwalt Eberhard Rott, Fachanwalt für Erbrecht und Steuerrecht sowie Vorstandsvorsitzender der AGT, die Fachtagung mit einer kurzen Begrüßungsrede. Anlässlich des bevorstehenden 100. Jahrestags der DNotV-Tabelle freute er sich über den regen Zuspruch, den die jüngst veröffentlichte 3. Anmerkung der AGT zu den DNotV-Empfehlungen erfahren haben. Sie regen eine Ergänzung der Zuschläge aufgrund veränderter Rahmenbedingungen in Form einer sechsten Zuschlagsgruppe aufgrund besonderen Aufwandes bei der Umsetzung des Erblasserwillens an. Als Beispiele werden besonderer Aufwand zur Verteidigung des Erblasserwillens gegen Angriffe der Erben genannt, die Verwaltung des digitalen Nachlasses, Geldwäscheprävention, Klärung von Vermögenswerten außerhalb des Nachlasses, die Abwicklung von Pflichtteilsansprüchen sowie weitere typische Situationen, die in den bisherigen Vergütungsgruppen nicht erfasst sind. Diese Ergänzungen sollen die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Vergütung erhöhen und für eine größere Akzeptanz bei den Erben sorgen. Veröffentlicht sind die Anmerkungen auf der >Homepage der AGT sowie bei Schiffer/Rott, AnwZert ErbR 6/2024 Anm. 1. Weitere Veröffentlichungen sind geplant.

In seinem anschließenden Fachvortrag fasste RA Rott zunächst die aufgelaufenen aktuellen Fragen aus der AGT-Community zusammen. Hier ging es unter anderem um neue Entwicklungen wie die Umsetzung einer Belegeinsicht beim papierlosen Büro sowie um den Umgang mit dem sog. Testamentsvollstreckermobbing. Er betonte zudem die Bedeutung der sorgfältigen Auslegung des Erblasserwillens und wies auf die Möglichkeit hin, Erblasseranordnungen gemäß § 2216 Abs. 2 S. 2 BGB außer Kraft zu setzen, wenn sie nur als Wunsch und nicht als bindende Anweisung zu verstehen sind. Im Anschluss widmete er sich sodann der aktuellen Rechtsprechung sowie deren praktischen Auswirkungen. Anhand einer aktuellen Entscheidung verdeutlichte er die Gefahren unzulässiger Globalanträge sowie die Abgrenzung der erbrechtlichen Rechtswege im Zusammenhang mit Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegenüber Maßnahmen von Testamentsvollstreckern.

Im Anschluss erläuterte Rechtsanwältin Dr. Anke Warlich (oben li.) von der FORIS AG in Bonn in ihrem Vortrag die „Möglichkeiten der Prozessfinanzierung in der Praxis des Testamentsvollstreckers“. Die Prozessfinanzierung bietet nicht nur Erben, sondern auch Testamentsvollstreckern finanzielle Unterstützung, wenn die gerichtliche, aber auch die außergerichtliche Durchsetzung von Rechtspositionen an fehlender Liquidität scheitern würde. Ein externer Finanzierer übernimmt in solchen Fällen die Vorfinanzierung eines Rechtsstreits und erhält im Erfolgsfall eine i.d.R. prozentuale Beteiligung am Erlös.

Frau Dr. Warlich stellte zunächst den typischen Ablauf einer Prozessfinanzierung vor, von der Fallprüfung über die individuelle Angebotserstellung bis hin zur Begleitung des Rechtsstreits und der abschließenden Erlösabrechnung. Sie betonte, dass Prozessfinanzierung insbesondere bei hohen Streitwerten und komplexen Fällen eine wertvolle Unterstützung sein könne, da sie das finanzielle Risiko für den Nachlass minimiere.

Besonders in erbrechtlichen Fällen werden Prozesskosten häufig nicht von Rechtsschutzversicherungen übernommen. Aber Frau Dr. Warlich hob auch hervor, dass die Prozessfinanzierung nicht nur bei gerichtlichen Auseinandersetzungen, sondern auch bei außergerichtlichen Verhandlungen sinnvoll eingesetzt werden kann und illustrierte dies anhand von einigen Fällen aus der Praxis und Rechtsprechung.

Der dritte Vortrag von Claudia Nüchter (Oben Mitte) bot für alle Teilnehmer eine wahrhaft „tierische“ Abwechslung. Es ging um das „Aufspüren von verstecktem Bargeld im Nachlass – Einsatz eines Geldsuchhundes in der Praxis“. Frau Nüchter, Hundetrainerin aus Mannheim, zeigte den Teilnehmern bei einer Live-Demonstration eindrucksvoll, wie ihr ausgebildeter Geldsuchhund Namasté im Zuschauerraum in Sekundenschnelle verstecktes Geld aufspürt. Auf diese Weise konnte sich jeder vorstellen, wie effizient Erblasserwohnungen oder sonstiger Nachlass nach verstecktem Bargeld durchsucht werden können. Berichtet wurde, dass Geld beispielsweise in einer fast echt aussehenden Dose oder in Büchern mit einem eingebauten kleinen Safe versteckt wird. Auch gab es schon Fälle, dass Geldscheine unter die Tapete an die Wand geklebt oder in eine Matratze eingenäht worden waren. Solche Verstecke sind nach einem Erbfall für Testamentsvollstrecker, Erben oder Nachlasspfleger und Nachlassverwalter ohne Hilfe eines Geldspürhundes kaum auffindbar. Aber selbst wenn der Hund nichts findet, hilft dieses Ergebnis den Erben dabei, in Zukunft ruhiger zu schlafen.

Rechtsanwalt Tom Braegelmann (oben li.) von der Annerton Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Berlin illustrierte sodann anschaulich das Thema „Aktueller Stand der Leistungsfähigkeit von KI mit Praxisbeispielen“. RA Braegelmann zeigte die Grundlagen und das Potenzial der Künstlichen Intelligenz (KI) in der Testamentsvollstreckung anhand einer Live-Demonstration von Chat GPT auf. Mit diesem Werkzeug zur Textanalyse und Textgenerierung ist es mittlerweile möglich, sich einige Arbeit im Büroalltag abnehmen zu lassen. So erklärte RA Braegelmann, dass KI bereits bei der Mandatsgewinnung eingesetzt werden könne, indem beispielsweise Chatbots auf der Homepage erste Informationen sammeln und Fragen von Mandanten beantworten. Besonders hilfreich könnte für so manchen aber auch die Fähigkeit der KI sein, unfreundlich vorformulierte Schreiben sympathischer umzuformulieren. Auch das Lesen, Zusammenfassen und Zitieren aus hochgeladenen Büchern kann Chat GPT mittlerweile vereinfachen.

Eindringlich warnte RA Braegelmann jedoch auch vor den damit verbundenen Herausforderungen. Insbesondere der Bereich Datenschutz sei nicht außer Acht zu lassen. Auch müsse man nach und nach erst das notwendige Vertrauen in automatisierte Systeme entwickeln. So ‚verzweifelte‘ die Software dann auch bei der Live-Vorführung (wie auch so mancher natürlicher Anwender) an der korrekten Berechnung einer Testamentsvollstreckervergütung, zeigte sich aber schon recht souverän im Umgang mit den Vorschriften des BGB. Auf hörbares Staunen stieß RA Braegelmann jedoch im Seminarraum, als er ein live aufgenommenes Diktat von Chat GPT nicht nur korrekt sortiert in Tabellenform gießen ließ. Zeitgleich erfolgte darüber hinaus die Ausgabe in Sekundenschnelle in mehreren Sprachen, darunter sogar Polnisch und Arabisch. Obwohl wir erst am Anfang eines großen technischen Umbruchs stehen, zeigte sich Braegelmann optimistisch bezüglich der in Zukunft zu erwartenden Entwicklungen und der potenziellen Effizienzsteigerungen durch den Einsatz von KI bei der Testamentsvollstreckung. Aber er wies mit dem Hinweis „garbage in – garbage out“ auch deutlich darauf hin, dass die Maschine stets nur so kompetent sei wie ihr Benutzer.

Die fachspezifische Vertiefung in diese Thematik übernahm Rechtsanwalt Alexander Knauss (oben re.), Fachanwalt für Erbrecht und Bank- und Kapitalmarktrecht sowie Vorstandsmitglied der AGT mit seinem Vortrag „Chancen der KI bei geschäftsmäßiger Testamentsvollstreckung“. RA Knauss zeigte, wie hilfreich KI insbesondere bei der Verwaltung eines Nachlasses sein kann. Beispielsweise können relevante Transaktionen in Kontoauszügen automatisch identifiziert und analysiert werden. Auch die Verwaltung von Immobilien und Finanzanlagen kann durch KI unterstützt werden, indem sie z.B. Facility Management übernimmt oder Investmentstrategien entwickelt. Ob man diesen Strategien auch vertraut, müsse jedoch, so sein Votum, jeder für sich selbst entscheiden.

Weiterhin zeigte RA Knauss, wie man die KI dazu verwenden könne, um Nachlassgegenstände auf Fotos zu identifizieren, zu inventarisieren und sogar zu bewerten. Da sogar Immobilien und Kunst oder Autos bewertet werden könnten, könne man bei dringenden Entscheidungen sowie bei der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses auf die Unterstützung der neuen Software zählen.

Ein weiterer spannender Punkt war der Ausblick auf zukünftige Entwicklungen, wie die Verwendung von Smart Contracts und die Tokenisierung von Real World Assets (RWAs) auf der Blockchain. RA Knauss machte allerdings deutlich, dass auch in Zukunft menschliche Testamentsvollstrecker nicht überflüssig werden würden, denn es gilt immer noch, die KI mit den richtigen Prompts zu füttern. Überdies sei Testamentsvollstreckung Vertrauenssache und erfordere Empathie sowie Fingerspitzengefühl. Dies seien – so Knauss – alles Qualitäten, die die KI nicht bieten könne.

Die Eheleute Armin und Marie-Theres Fimberger (s.o.) aus München boten den Teilnehmern sodann einen Einblick in den Umgang mit digitalem Nachlass mit dem Thema „Digitale Daten finden und für die Testamentsvollstreckung erschließen“. Mit ihrer Firma DIGITALES ERBE FIMBERGER widmen sie sich dem Auffinden digitaler Vermögenswerte und dem Erschließen persönlicher digitaler Daten, die häufig ebenfalls Bestandteil eines Nachlasses sind.

Armin und Marie-Theres Fimberger erklärten, dass zum digitalen Nachlass nicht nur E-Mail-Konten und soziale Netzwerke, sondern unter anderem auch digitale Einkaufs- und Verkaufsportale, Blogs, Kryptowährungen und sogar eine Smart-Home-Installation gehören. Sie beschrieben, wie wichtig es sei, alle digitalen Geräte, SIM-Karten und E-Mail-Zugänge nach einem Erbfall zu sichern, um den vollständigen Überblick über den Nachlass zu behalten. Auf gar keinen Fall solle man als Erbe oder Testamentsvollstrecker Konten zu schnell schließen oder digitale Portale zu schnell über den Tod des Erblassers informieren. Viele persönliche Konten würden ansonsten für immer geschlossen oder in einen Gedenkzustand versetzt werden und wären einer späteren Recherche dann nicht mehr zugänglich. Eindrucksvoll erklärte Herr Fimberger, wie Passwörter geknackt und Handys und Laptops geöffnet werden.

Die Eheleute Fimberger wiesen zudem darauf hin, dass es im Rahmen der Vorsorge- und Nachfolgeplanung sehr wichtig sei, klar festzulegen, was mit den eigenen digitalen Daten im Todesfall geschehen soll. Sie stellten auch praktische Tools vor, wie etwa Passwortmanager und speziell verschlüsselte USB-Sticks, die helfen können, den digitalen Nachlass sicher zu verwalten. Die Ernennung eines Testamentsvollstreckers sowie genaue Instruktionen in den Verwaltungsanweisungen sind beim Umgang mit dem digitalen Nachlass nach ihrer Ansicht ein nicht zu unterschätzender Vorteil.

Last but not least galt es, die rechtlichen Grundlagen für die sich rasant fortentwickelnde digitale Welt zu ergründen. Diesen Part übernahm Rechtsanwalt Christian Weiß, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht aus der Kanzlei Wellensiek in Köln mit dem Thema: „Kein Datenschutz in Nachlass-Sachen? Mitnichten! Die Verantwortlichkeit des Testamentsvollstreckers“. Rechtsanwalt Weiß ist selbst Testamentsvollstrecker (AGT) und widmet sich unter anderem der Verteidigung von Berufskollegen sowie sonstigen Dienstleistern gegen datenschutzrechtliche Bußgeldbescheide oder Datenschutzbeschwerden. In seinem Vortrag erläuterte er die rechtlichen Grundlagen und technischen Anforderungen, die Testamentsvollstrecker beachten müssen, um in ihrem Praxisalltag den Datenschutz zu gewährleisten. Dazu gehören die Einhaltung der DSGVO und die Notwendigkeit, Daten nur so weit wie nötig zu verarbeiten, da es sich bei der DSGVO um ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt handelt. RA Weiß warnte zum einen vor den möglichen Bußgeldern, die bei Datenschutzverstößen drohen, zum anderen riet er in schwierigen Fällen zu einer engen Zusammenarbeit mit den Datenschutzbehörden. Diese verstünden sich nach seiner Erfahrung nicht in erster Linie als Gegner, sondern regelmäßig als Berater. Die Sorge, man wecke schlafende Hunde, stelle sich regelmäßig als unbegründet heraus, so RA Weiß. In praktischer Hinsicht sei zudem darauf zu achten, dass beispielsweise bei der Verwendung einer KI zuvor eine Anonymisierung von Dokumenten durchzuführen sei und in Bezug auf die Speicherung sensibler Daten ausreichende Sicherheitsmaßstäbe erfüllt werden müssten. Das Wichtigste sei jedoch stets eine ausreichende und permanente Sensibilisierung sämtlicher an der Testamentsvollstreckung beteiligter Personen für das Thema.

Fazit:

Die gelungene Veranstaltung in Potsdam beleuchtete mit ihren praxisnahen Vorträgen und durch die rege Mitwirkung der Teilnehmer die vielseitigen Herausforderungen und innovativen Lösungsansätze in der Testamentsvollstreckung, von technologischen Fortschritten über die Finanzierung bis hin zu unkonventionellen Methoden der Nachlasssicherung am Beispiel des Geldsuchhundes. Sie bot allen Teilnehmenden vor Ort neben kulinarischen Highlights und dem Wiedersehen mit alten und neuen Bekannten auch eine gute Plattform für die Diskussion praxisnaher Strategien und den zukünftigen Umgang mit neuesten Entwicklungen im Bereich der Testamentsvollstreckung. Die Referenten stellten nicht nur neue digitale und technische Lösungen vor, sondern zeigten auch, dass man manchmal neben dem richtigen Feingefühl auch den richtigen Riecher haben muss und dass Nachlassmanagement oftmals auch ein Denken über den Rand des eigenen Tellers hinaus erfordert. Durch die ausgewogene Mischung aus Theorie, Praxis und Diskussion wurde die Veranstaltung zu einem unvergesslichen Event für alle Beteiligten.

Hintergrundinfos zur Fachtagung finden Sie hier: ()

Impressionen: